Freitag, 17. Juni 2011
(4) durch Reisfelder
In der Nacht hat es nochmals ziemlich stark geregnet und so hoffte ich natürlich, dass es tagsüber trocken bleiben werde. Am Lago D'Orta hätte man durchaus etwas länger bleiben können, doch mich zog es ja südwärts...
Ich wusste, dass der heutige Tag eine Flachetappe geben wird. Ich startete auf etwa 300 Metern über Meer, nach etwa 20 Kilometern war ich auf etwa 170 Metern über Meer und knapp 90 Kilometer später lag mein Übernachtungsort auf 165 Meter über Meer. Was ich im Vorfeld nicht wusste ist, dass ich durch das scheinbar grösste Reisanbaugebiet Europas fahre (das stand auf einem Schild).
Und was ich auch nicht wusste ist, dass ich stundenlang geradeaus fahren und immer mit einem leichten aber stetigen Gegenwind kämpfen werde. Das fühlt sich an wie ein flacher Berg... Psychologisch mag ich diese Kombination überhaupt nicht. Man sieht kilometerlang die Strasse vor sich, keine Kurve, kein Hügel, kein Baum, nichts ausser riesigen Reisfeldern.
Erstaunlich fand ich, dass die Reisbauern scheinbar trotz des flachen Profils eine Art Terassierung hingekriegt haben, denn immer wieder sind die Felder unterteilt und wie in Asien mit langen Wasserläufen verbunden. Das Wasser wird mit Schiebern in die einzelnen Felder geleitet, damit der Reis immer schön im Wasser steht. Von einem der eingesetzten Traktoren machte ich dann auch noch ein Foto. Damit die Räder den Boden möglichst wenig verdichten und auch nicht zu viel Reis flachgedrückt wird, sind die Räder des Traktors aus grossen Stahlscheiben mit kleinen seitlichen Schaufeln zur Vorwärtsbewegung. Interessant.
Die Wolken verdichteten sich zunehmend und ich sah förmlich, wie ich dem Regen entgegen fuhr. Als die Tropfen sich mehrten, erhöhte ich den Druck auf dem Pedal um die nächste Ortschaft zu erreichen, wo ich Schutz in einer Caffetteria suchte. Kaum abgestiegen, prasselte der Regen ziemlich stark auf die Strasse - gelungenes Timing. Ich trank meinen obligaten Latte Macchiato und ass dazu eine dieser staubigen Aprikosen-Brioche, die so unappetitlich in Plastik verpackt sind. Na ja, es war halt eine Caffetteria und kein Ristorante und schon gar keine Pasticceria. Ich liess mir Zeit und wartete bis die Front vorüber zog und wieder nur noch einzelne Tropfen fielen. Dennoch schlüpfte ich in die Regenhose und -jacke. Dies jedoch nur für etwa 15 Minuten, denn dann war der Spuk vorüber und die Strassen begannen das Nass gleich zu verdampfen. Das ergab eine eigentümliche, visuelle Stimmung, trieb mir aber auch den Schweiss auf die Stirn. Also wieder anhalten und Regensachen ausziehen.
Am Morgen dachte ich, dass ich bis nach Vercelli (so quasi der Mittelpunkt des Reisanbaus) fahren werde und da eine Unterkunft suche. Doch es kam, wie so oft bei mir. Es war erst etwa zwei Uhr mittags, ich fand nicht gleich ein passendes Hotel und überhaupt fand ich Vercelli nun nicht gerade so prickeld, wie ich mir das vorgestellt hatte. Also fuhr ich weiter. Knappe 20 Kilometer bis Trino. Dieser Ort war jedoch scheinbar zu klein um ein Hotel oder ein Albergo zu bieten (oder ich habe es einfach nicht gesehen)... also weiter.
Gegen vier Uhr kam ich dann nach Cresentino, wo ich an der Haupt-Piazza ein schönes Lokal entdeckte, eine sogenannte Yoghurteria (was das auch immer sein mag). Als ich das Lokal betrat zapfte ein älterer Herr hinter der Theke ein schönes, grosses Bier für den einzigen Gast. Jaaa!!! Das wollte ich auch. Also bestellte ich mein erstes italienisches Bier (Peroni). Der Chef des Hause sprach mich an. Woher ich komme, wohin ich wolle, und so weiter. Das war die Gelegenheit um zu fragen ob er ein kleines Hotel oder Agriturismo in der Umgebung kenne, wo ich übernachten könne. Ja, klar! Er rufe gleich jemanden an (Agriturismo) und führe mich dann da hin. ich solle einfach in Ruhe mein Bierchen trinken. Das fand ich ja super nett (kleine Bemerkung am Rande: Er spricht nur italienisch und ich mit Händen und Füssen, zwei Worte italienisch, eines spanisch und ab und zu auch mal ein zwei Worte französisch. Das war lustig. Als ich dann fertig war sagte er, dass ich mit dem Velo warten soll, er komme gleich. O.K. Ich dachte, er komme zu Fuss, doch keine zwei Minuten später fuhr er mit dem Auto vor und wies mich an, hinter ihm her zu fahren. Er beschleunigte wie ein Weltmeister und ich versuchte verzweifelt dranzubleiben. Der hat ja Nerven! Links, rechts, dann gerade aus und schwup, sah ich ihn nicht mehr... Nach der nächsten Kurve steht er am Strassenrand, lehnt rauchend aus dem Fenster und ruft "dai, dai!" Ich keuche zurück: "io no Eddy Merckx..." Zum Glück war nach knapp vier Kilometer das Ziel, die Villa Rosa, erreicht. Das war eine gute Nummer!
Ich bedankte mich artig und liess mir eines der schönen Zimmer in der Residence zeigen. 40 Euro die Nacht, inkl. Frühstück, das ich aber in der kleinen Küche selber machen müsse. Ja, o.k., das passt. Die nette Frau zeigte mir alles, auch die kleine Küche und da waren sie wieder, die trockenen, in Plastik eingepackten Aprikosen-Brioche...
Nach dem Duschen und Kleider waschen machte ich mich nochmals auf den Weg um im Dorfzentrum fein zu essen. Zur Vorspeise Spaghetti Carbonara und danach eine Pizza Vegetariana... Boah... war ich danach satt. Zufrieden kurbelte ich wieder zurück zur Residenz und schon bald schlüpfte ich müde unter die Decke. Das GPS sagt: 108km., 4:45 Std., 210 Hm.
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