Freitag, 8. Juli 2011
(25) Nationalpark der Abruzzen
Es lohnte sich am Frühstücksbuffet voll zuzugreifen, denn schon nach einem einzigen, flachen Kilometer steigt die Strasse kräftig an. Mitten im kleinen Ort Scanno sogar so stark, dass ich auf das kleine Kettenblatt schalten musste. Danach wird die Steigung normaler, so dass ich im mittleren Kettenblatt fahre. Sitzend meist im zweit kleinsten Gang, stehend dann im vierten oder fünften. Diese Kombinationen fahre ich sehr häufig, denn die Steigungswerte sind immer in etwa gleich.
Vom Lago di Scanno geht es innert 17 Kilometer von 950 auf 1´600 Metern über Meer, wo man auf eine kleine Hochebene mit einem Miniskigebiet kommt (Passo Godi). Gleich drei Hotels/Restaurants/Bars buhlen um die Gunst der Kunden und ich wählte einfach das mit der schönsten Terrasse. Nach erst eineinhalb Fahrstunden hatte ich natürlich noch nicht den grossen Hunger, doch ein warmes Pannini mit Salice und Bergkäse, zusammen mit einem Cappucchino durfte es schon sein.
Es folgte eine sehr schöne und aussichtsreiche Abfahrt nach Villeta Barea (1´000m.ü.m.), wo ich wieder auf meine geplante Strecke traf. Dann folgten etwa zehn gemütliche und fast flache Kilometer entlang eines Bachs, bevor man dann schon von weitem Opi, den zentral gelegenen Ort im Nationalpark der Abruzzen, auf einer Hügelkuppe sieht. Es war gerade so um die Mittagszeit, also wollte ich im kleinen Ort etwas essen, doch das lag dann nicht drin, weil ich einfach kein Restaurant sah. Trotzdem stellte ich das Bike kurz ab und besichtigte den kleinen Ort zu Fuss. Na ja, ich will nichts Negatives sagen, doch Orte wie diesen gibt es in Italien fast überall.
In der einzigen offenen Bar (wo klarerweise ein dutzend pensionierte Herren draussen im Schatten sassen und sich über den irren Velofahrer in seinen bunten Klamotten lustig machten, der in der grössten Mittagshitze da hoch strampelt) kaufte ich mir ein paar Kekse, die gut zu den zwei Nektarinen passten, die ich noch in der Seitentasche mitführte. Ich wusste, dass nun die Strasse gleich wieder ansteigen wird und dachte mir, dass ich bis zu einer schattigen Parkbank fahre, wo ich dann meinen Mittagshalt mache.
Nur Picknickplätze und Parkbänke sind in Italien rar. Da gibt es nicht -wie bei uns- in jedem Dorf einen Verschönerungsverein, der Parkbänke und Abfalleimer aufstellt. Italiener setzen sich auf selbst im Auto mitgebrachte Stühle und werfen den Abfall an den Strassenrand oder in den Wald (sorry, ist etwas stark vereinfacht dargestellt). Die Auffahrt war stark bewaldet und somit angenehm kühl, so dass ich beschloss, bis auf etwa 1´300 Meter über Meer hoch zu fahren und mich da in den schattigen Wald zu setzen, eine Nektarine und ein paar Guetsli zu essen, was ich dann auch machte. Ich hätte aber vermutlich auch noch die verbleibenden knapp 200 Höhenmeter bis zum Kulminationspunkt geschafft, wo ein hübsches kleines Restaurant einige Gäste bewirtete und es fein nach Grilliertem roch. So machte ich nur kurz ein Foto davon und freute mich auf die kommende Talfahrt.
Die war dann superschön. In der prallen Sonne, fast ohne Wald und somit mit immer bester Aussicht auf das vor mir liegende Talgebiet und die dahinterliegenden Berge, wo mich wohl meine Routenplanung auch hinlenken wird. Im Vergleich zum Nationalpark des Gran Sasso ist der der Abruzzen insofern anders, dass hier die Berge einzeln stehen und nicht als Bergmassive. Das hat mir fast noch eine Spur besser gefallen. Bären und Wölfe, die es hier geben soll, habe ich keine gesehen, was wohl auch besser so war.
Wie immer wurde es beim bergrunter fahren immer wärmer und kurz vor der Talsohle (350m.ü.m.) hatte ich das Gefühl, dass mir jemand mit einem Haartrockner mit Vollgas ins Gesicht bläst. In der Fläche unten zeigte eine Anzeigetafel vor einer Apotheke 33° Grad. Nicht schlecht, Herr Specht!
Mittlerweile war so um drei Uhr mittags. Die Zeit, wo Ortsansässige die Türen und Geschäfte geschlossen halten und sie sich drinnen oder im Schatten etwas der Hitze entziehen. Ich wusste nicht so recht was ich nun tun sollte. Obwohl auf dem Tacho schon 90 Kilometer registriert waren, fühlte ich mich noch gut und wollte noch etwas fahren, doch ich wusste auch, dass mit den nächsten Bergen wohl wieder die Hotels und möglichen Unterkünfte rar werden. Ich wusste es und trotzdem fuhr ich weiter...
Bald schon ging es wieder bergauf. Ich legte zwar mehrere kurze Pausen ein um genügend zu trinken doch ich spürte nun langsam, dass der Sprit in den Beinen zur Neige geht. Eine Tafel signalisierte San Bagio, 6km., O.K. Das mach ich noch locker. San Bagio liegt auf knapp 800 Metern über Meer, wieder eines dieser alten, kleinen Hügeldörfer und ich musste schon fast suchen um überhaupt eine offene Bar zu finden. Ich kaufte ein kühles Mineralwasser und fragte nach einem Hotel oder einer Pension. Die Antwort war Nein, das gäbe es hier nicht. Also fragte ich, wo ist denn das nächste Hotel? Hmmm... noch etwa zehn Kilometer berghoch und dann rechts in Richtung Vallerotonda. Auch die zehn Kilometer werde ich noch schaffen dachte ich mir und fuhr los.
Distanzen schätzen können Einheimische, denn es waren wirklich fast genau zehn Kilometer, bis ich den Abzweiger in Richtung Vallerotonda sah, mittlerweile war ich auf 930 Metern über Meer und meine Beine ziemlich leer (Schüttelreim). Unter dem Wegweiser ein verrostetes Schild, wo man das Wort Hotel noch ganz knapp erkennen konnte. Ah, dachte ich, gleich ist´s geschafft. Es folgten ein paar wenige Häuser, wo keines nach einem Hotel aussah und dann kam Wald, Wald, und noch mehr Wald und die Strasse begann bergab zu gehen. Ich dachte schon daran, dass ich das morgen alles wieder hochkurbeln muss als ein Schild anzeigte: Vallerotonda, 5km. Mist, aber was soll ich machen? Ich dachte an 10 Kilometer insgesamt, nicht nur bis zum Abzweiger.
Der Wald lichtete sich, rechts erkannte ich ein Rifugio wo gebaut wurde und weit unten im Tal eine kleine Hügelortschaft. Ich mache kurz ein Foto und denke mir noch, dass der Teil Valle von Vallerotonda wohl ein Tal meint und es deshalb nun noch über 200 Höhenmeter runter geht. Blöd nur, dass dies alles in die falsche Richtung geht und ich morgen wohl alles wieder hoch muss. Auf 600 Metern über Meer komme ich zum Ortseingang und vor dem Gemeindehaus stehen zwei Polizisten und rauchen. Ideal um zu fragen, damit ich nicht lange suchen muss. Deren Antwort knickte meine gute Laune. Nein, hier gibt es kein Hotel. Ich müsse zurück, gleich nach dem Abzweiger, das dritte Haus sei ein Hotel. Gibt´s ja nicht! Da bin ich wohl tatsächlich dran vorbei gefahren...
Ich setzte mich in den Schatten neben dem Gemeindehaus, nehme die Karte aus der Tasche und überlege mir die Möglichkeiten. A: Ich fahre wieder hoch oder B: Ich fahre noch weiter runter ins Tal (in die falsche Richtung), wo ich Ortschaften sehe und wohl auch ein Hotel finden werden. Ich sah auf die Uhr, 18:15 Uhr. Obwohl ich heute schon über 120 Kilometer und knapp 2´000 Höhenmeter gefahren bin, entschliesse ich mich für A. Ich habe es verbockt, also will ich es heute noch richtig stellen.
Dafür brauche ich aber noch Biosprit und deshalb esse ich meine letzte Nektarine und die paar übrig gebliebenen Guetsli. Wasser gab es gleich am Brunnen neben dem Gemeindehaus. Dann fahre ich wieder los. Langsam erkämpfe ich mir die vorher abgefahrenen Höhenmeter zurück. Beim Rifugo steht ein Schild "Ristorante aperto" zudem sehe ich, dass auf der Talseite des Hauses nicht gebaut wird und da keimt Hoffnung auf, dass sie auch Zimmer vermieten. Ich betrete das leere Restaurant und muss rufen, dass überhaupt jemand kommt.
Eine kleine, ältere Frau mit liebenswürdigen Augen erscheint und ich merke sofort, das wird funktionieren. Ja klar hätten sie Zimmer und Abendessen könne ich auch. Zimmer mit Frühstück 35 Euro. Sie zeigt mir ein riesiges 3-Bett-Zimmer im Obergeschoss mit eigener Terrasse und herrlicher Aussicht. Dann fragt sie mich noch, ob ich im Garten etwas trinken wolle. Die gute Frau versteht mich und weiss, was müde Velofahrer wollen.
Das Abendessen war dann sensationell und erinnerte mich an den Abend in Sinio (Tag 6). Viele kleine Gänge, alles haus- und handgemacht, dazu Rotwein und Mineralwasser. Zum Schluss hätte ich platzen können. So hat nun ein an sich schon sehr schöner Velotag auch noch ein sehr gutes Ende gefunden und ich werde hier oben (850 m.ü.m.) bestimmt auch wieder gut schlafen. Das GPS sagt: 128km., 7:18 Std., 2´230 Hm.
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