Donnerstag, 18. Februar 2021
Abdankung
Heute war nun die Beerdigung meines Rikscha-Stammkunden und auch wenn wir uns die letzten eineinhalb Jahre kaum mehr gesehen haben, so fühlte ich mich doch irgendwie verpflichtet um da hin zu gehen und ihm so -in gewissem Sinne- die Ehre zu erweisen und ein letztes Mal "Danke" zu sagen.
Es war ein angenehmer Tag, zwar wolkig aber trocken und mit etwa +8° Grad ziemlich mild. Die knapp 25 Kilometer bis zum Friedhof konnte ich gut mit dem Fahrrad zurücklegen und so einerseits etwas für meine Fitness tun und andererseits auch Ruhe und Zeit finden um innerlich dieses Kapitel abzuschliessen.
An der Abdankung waren fast 30 Personen, wovon ich etwa die Hälfte kannte. Natürlich war die Stimmung gedrückt. Zuerst wurde die Urne ins Grab abgesenkt, man konnte Rosenblätter zum Abschied darüberstreuen und danach versammelte man sich unter dem Vordach der Abdankungshalle um Jürg ein letztes Mal gemeinsam zu gedenken. Ein langjähriger Bekannter hielt eine schöne Rede und danach sprachen noch vier oder fünf weitere Personen über Ihre Erlebnisse und Gedanken im Zusammenhang mit dem Verstorbenen.
Es ist halt irgendwie seltsam, wenn drei grosse Themenkomplexe ausgeblendet werden, weil man halt nichts Schlechtes über Tote sagen soll. Aber in den neun Jahren, in denen ich Jürg kannte, waren der Alkoholismus und seine zeitweiligen Depressionen nicht zu übersehen. Und dass jemand sich durch eine Selbsttötung dem Leben und seinen Mitmenschen entzieht ist ebenfalls schwer zu verstehen und belastet die Zurückgebliebenen. Wenn man dies aber alles weglässt und vom Übriggebliebenen auch nur noch das Positive erzählt, so entsteht dann halt ein etwas verzerrtes Bild, welches zumindest ich nicht so in Erinnerung habe. Aber ich kann das verstehen und respektieren. Sein Leben ist vorbei und es bringt nun auch nichts mehr, dies kontrovers zu diskutieren. Ruhe in Frieden!
Während ich auf dem Hinweg doch noch ziemlich aufgewühlt war, entspannte ich mich auf dem Rückweg von Kilometer zu Kilometer. Meine Erfahrung mit "Loslassen" hilft mir, Tatsachen zu akzeptieren und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Auch wenn es schwerfällt, einen Selbstmord zu akzeptieren, so kann das auch so verstanden werden, dass er ganz bewusst sein eigenes Leben losgelassen und nicht uns, als seine Mitmenschen, verstossen hat. Er war gegen sich selbst. Das hat nichts mit uns zu tun. Schade einfach, dass er sich nicht öffnen und jemandem anvertrauen konnte. Doch auch das hat nichts mit den Menschen um ihn herum zu tun. Er hat es ganz alleine entschieden und so gewollt - nun soll es so sein. 🙏
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