In den letzten Tagen sind einige mir bekannte und populäre Leute gestorben. Udo Jürgens, Joe Cocker, Beny Rehmann und andere. Da macht man sich natürlich ein paar Gedanken. Ist unsere körperliche Existenz nicht vergleichbar mit einer Maschine, zum Beispiel einem Auto?
Meine Existenz startet mit 9 Monaten Aufbauarbeit im Bauch meiner Mutter und bei Geburt rolle ich als neues Auto vom Band. Kilometer 0. Nun erhalte ich einen Besitzer, mit dem ich mich durch diese dreidimensionale Welt bewegen werde. Dieser Besitzer heisst Geist. Mich, das Auto, nennen Sie Körper. Zusammen sollen wir eine Seele bilden und werden als Identität wahrgenommen.
In den Kinderjahren wird das Auto eingefahren. Die Gene legten schon fest, ob ich eher zu den sprintstarken Sportwagen zähle oder ob mein Chassis eher gemütlich bewegt werden will. In der Jugend wird man dann möglichst aufgebrezelt und getunt, bis das Auto zwischen 20 und 40 die Blüte erreicht. Alle körperlichen Systeme spielen hervorragend zusammen und es läuft für das Auto wie geschmiert. Vielleicht erleiden wir in den Jahren des täglichen Gebrauchs ein paar Blechschäden doch meist kommen wir wieder in Schuss. Man muss auch ab und zu mal Glück haben, um grösseren Blessuren oder gar einem Totalschaden ausweichen zu können.
Dann beginnt langsam das Alter. Die Wartungsarbeiten nehmen zu. Gewisse Ersatzteile werden zunehmend schwieriger zu beschaffen. Und unser Besitzer merkt das lange nicht. Er drückt noch immer wie ein Wilder aufs Gaspedal und hält die Drehzahl hoch. Das kann nicht lange gut gehen. Herzinfarkt ist gleich Kolbenklemmer, doch auch das lässt sich heute halbwegs gut reparieren. Nichts desto trotz, der Zahn der Zeit beginnt zu nagen. An der Karosserie, am Motor, an den anderen Subsystemen. überall kumulieren sich die Sünden der Vergangenheit.
Der technische Fortschritt hat Autos immer langlebiger gemacht. Das Durchschnittsauto Mensch fährt in der Schweiz derzeit schon fast 80 Jahre. Wenn eine Frau am Steuer sitzt, hält es sogar noch 3 oder 4 Jahre länger. Über 100jährige Autos sind selten und jedes, noch so langlebige, Fahrzeug findet vor 120 Jahren sein Ende. So ist das.
Jedes Auto wünscht sich einen sanften Tod. Am besten, wenn eines Morgens ganz einfach der Starter streikt und nichts mehr geht. Oder wenn während der Fahrt plötzlich ein wichtiges System zusammenbricht und das ganze Auto mit in den Tod reisst. Möglichst schmerzlos oder wenn schon schmerzhaft, dann wenigstens schnell und ohne langes Leiden.
Meist ist es aber anders und weniger spektakulär. Man bekundet Mühe im Verkehr. Alles wird immer schneller und es hat auch immer mehr Autos, die einem den Weg versperren oder einem anrempeln. So nehmen die kleinen Pannen immer mehr zu und es kommen vielleicht noch ein paar grössere Probleme dazu. Immer wieder muss man in die Garage und den Fachmann zum besten sehen lassen. Es braucht immer mehr Rostschutz und Schmiermittel. Die Pechvögel unter den Autos sterben in der Garage. Mit teuren Reparaturen hat man zwar das Leben noch verlängert, doch die Strassen unter den Reifen hat man schon lange nicht mehr gespürt. Es bleibt einem nur noch, von früheren, schöneren Zeiten zu träumen, bis dann endlich das Licht ausgeht.
Was mit dem Besitzer (dem Geist) passiert, weiss ich nicht. Ob da vorher schon etwas war oder ob da nach dem Tod noch etwas anderes kommt, das enzieht sich meinem Wissen. Hier geht es auch mehr um die mechanische Betrachtung oder Interpretation meines Körpers und somit meiner physischen Basis, die mich durch diese Art von Leben begleitet. Denn soviel ist klar. Ich manifestiere mich in dieser dreidimensionalen Welt mit einem Körper. Ohne materiellen Körper, keine Teilnahme am menschlichen, sozialen Leben.
Was also dieses, unser allgegenwärtig bekanntes Leben anbelangt, sind wir zwingend auf einen Körper angewiesen (ein Auto, ein Raumschiff, welches unseren Geist durch Raum und Zeit begleitet). Und mit dem Tod und der Verschrottung des Autos endet diese Reise. Es führt somit zu der Frage, ob Körper und Geist eins oder zwei sind. Stirbt auch der Geist, wenn der Körper stirbt? Fragen, auf die ich keine Antwort weiss. Fragen, die Religionen zu beantworten versuchen.
Um diesen Beitrag abzuschliessen. Natürlich ist mein Körper KEINE Maschine und somit auch nicht mit einem Auto zu vergleichen. Mich dünkt aber, dass diese Denkauffassung immer mehr Anhänger findet. Man beobachte die neuen Trends zu Fitness-Apps, Biofeedback-Uhren und dergleichen. All dem liegt ein mechanisches Verständins unseres Körpers zugrunde. Wer weiss, vielleicht wird in 10 Jahren meine Krankenversicherung auf Grund von gesammelten Biofeedbackdaten mein ganz persönliches Risikopotential und so meine Prämie kalkulieren. Denkbar, aber auch etwas erschreckend. Erschreckend deshalb, weil es zum Vergleich und zur Beurteilung ein Idealbeispiel geben muss, welches als erstrebenswertes Durchschnittsziel vorgegeben wird. Da kommen Gedanken an Zucht und Monokultur auf. Wer erinnert sich nicht an solche Ideal-Mensch-Vorstellungen. Davon gab es in der Geschichte der Menschheit schon mehrere und zum Glück scheiterten alle.
Vielleicht kann man sagen, ein toter Körper sei eine Maschine. Eine kaputte Maschine, nicht mehr reparierbar ist. Solange aber Leben in einem Körper ist, solange ist ein Körper mehr als eine Maschine oder eine mathematisch belegbare Funktion.