(6+7) Nähe Alba
Nur ganz kurz, weil die Verbindung nur über Mobile-GPRS möglich ist (teuer).
Ich bin gestern in der Cascina Sondrea angekommen und mache heute hier einen Ruhetag, den ich zum Kleider waschen und Erholen benötige.
Montag, 20. Juni 2011
Nur ganz kurz, weil die Verbindung nur über Mobile-GPRS möglich ist (teuer).
Ich bin gestern in der Cascina Sondrea angekommen und mache heute hier einen Ruhetag, den ich zum Kleider waschen und Erholen benötige.
Die Cascina Sondrea ist der ideale Ort für einen ersten Ruhetag. Zeit, um etwas zu regenerieren, alle Kleider zu waschen und sich für die kommenden Tage vorzubereiten.
Ich mache hier ganz bewusst etwas Werbung für Andi und Sonja, denn falls ein Leser einmal eine Reise ins Piemont plant, ist das eine Adresse, die man sich unbedingt merken muss! Wegen der wenigen Zimmer ist eine Vorreservation jedoch fast zwingend nötig.
So technologieverseuchte Menschen wie ich hätten natürlich noch gerne einen schnellen Internetzugang, doch den gibt es nicht. Man soll sich ja erholen und ausspannen. So nahm ich mir einfach die Zeit um die Beiträge von gestern und heute zu schreiben, die ich bei nächster Gelegenheit in meinen Blog stellen werde. Ich geniesse einen Tag ohne Velosattel, mit einem Buch in der Hängematte oder für ein erfrischendes Bad im schönen Pool. Herrlich! La vita e bella! Das GPS sagt nichts!
Dienstag, 21. Juni 2011
Nach einem feinen Frühstück packte ich meine Sachen zusammen und machte mich abfahrbereit. Dann hiess es Abschied nehmen von den lieben Gastgebern und von Urs und Rita, die ich in der Casa Andrea kennenlernte. Ich verlebte hier zwei wirklich schöne Tage und der gestrige Ruhetag hat mir wirklich gut getan. Ich habe wieder richtig Lust auf Velo fahren...
Gleich zu Beginn ging es etwa 300 Höhenmeter hoch auf einen Hügelzug, dem ich danach wie geplant südwärts folgte. Die sanften Hügel und die vielen Rebberge in der Gegend versprühen unglaublich viel Charme und das wirklich ausgezeichnete Essen und der feine lokale Wein haben sich so in meine Erinnerung eingeprägt, dass ich vermutlich später wieder einmal in die Gegend um Alba reisen werde.
Heute wollte ich bis zum Colle di Cadibona fahren. Dies ist der geografische Startpunkt des Apennins und somit der eigentliche Beginn meiner Sommerreise entlang des Apennins durch Italien. Ich fuhr bewusst gemütlich und machte regelmässige Pausen. Das Wetter war anfangs zwar noch etwas bewölkt, doch schon an die 25° Grad und somit ideal um Rad zu fahren.
Alles lief wie geplant und ohne irgendwelche Probleme. Gegen 14:30 Uhr passierte ich dann Altare, den letzten Ort nördlich des Colle di Cadibona. Die Ortschaft kam mir irgendwie bekannt vor und als ich ausgangs des Dorfes die alten und verfallenen Militärbauten sah wusste ich, dass ich hier schon einmal war. Und zwar war dies letztes Jahr, als ich mit Freunden am letzten Tag unserer Finale Ligure Bikeferien der Küste entlang nach Savona fuhr und von da via Colle di Cadibona zurück nach Finale.
Ich machte ein paar Fotos bei dem Stein, der die Trennung zwischen Alpen und Apennin markiert und überlegte mir, wie ich nun weiterfahren soll. Einen kurzen Moment dachte ich daran, nach Savona runter zu fahren und der Mittelmeerküste entlang nach Finale Ligure um im Hotel Rosita zu übernachten. Noch so gerne erinnere ich mich an das ausgezeichnete Hotel, die netten Gastgeber und den Internetanschluss (alles, was mein Herz begehrt). Doch Finale Ligure liegt 180° in der falschen Richtung und war somit eher ein schöner Gedanke als eine wirkliche Option.
Da ich auf der Durchfahrt durch Altare nicht auf Anhieb ein Hotel gesehen hatte überlegte ich mir als zweites, ob ich runter nach Savona ans Mittelmeer fahren soll. Da gibt es bestimmt genügend Hotels und auch die historische Innenstadt hatte ich noch in guter Erinnerung. Ausserdem war Savona nur noch 13 Kilometer entfernt. Auf diesen 13 Kilometern vernichtet man 460 Höhenmeter, sprich, ich hätte eigentlich nur noch aufsitzen und runter rollen müssen. Die Idee, dass ich jedoch morgen gleich mit diesen 460 Höhenmeter bergauf starten soll, fand ich jedoch nicht so prickelnd zumal ich ja wusste, dass es vom Colle di Cadibona noch weiter, bis auf etwa 700 Meter über Meer ansteigt. Hmm, Nein, auch nicht.
Ich entschied mich letztendlich einfach meiner geplanten Route weiter zu folgen und in den kommenden Dörfern nach einem Hotel oder Agriturismo Ausschau zu halten. Im ersten Dorf gab es gar nichts. Im Zweiten ein einziges Restaurant und im Dritten ein Lebensmittelgeschäft. Mittlerweile hatte ich über 80 Kilometer und über 1´000 Höhenmeter auf dem Tacho und mir war bewusst, dass ich nicht manche Möglichkeit auslassen darf, sonst muss ich irgendwo campieren und das wollte ich doch tunlichst vermeiden. Ich will eine Dusche und ein richtiges Bett. Kurz vor Sassello kam ich dann an einem alten Albergo vorbei und fuhr direkt vor die Eingangstüre. Haben die überhaupt offen? Alles ist leer. Kein Auto vor dem Haus und niemand zu sehen. Ich trat ein, machte mich bemerkbar und tatsächlich kam eine ältere Frau aus der Küche angeschlurft. Ich fragte, ob sie noch ein freies Zimmer haben, was es kostet und ob ich es mir ansehen kann. Das Albergo hat seine besten Tage schon vor sehr langer Zeit gesehen, doch die Dusche funktionierte und das Bett hängt auch nicht bis zum Boden durch. 40 Euros für Zimmer und Frühstück sind normal. Also sagte ich zu.
Nach der Dusche setzte ich mich in den Garten und bestellte mir ein grosses Moretti-Bier. Ich zückte das Netbook -WLAN gibt es natürlich nicht- und kopierte die heutigen Fotos auf die Festplatte. Dann schrieb ich diesen Beitrag in Word und genoss noch etwas die wärmende Abendsonne. Ich stellte fest, dass ich scheinbar der einzige Gast hier bin... Mal sehen, ob die überhaupt für mich alleine kochen...
Der erste Eindruck des Apennins ist gut. Oftmals kann man in südlicher Richtung bis zum Meer sehen. Die Strassen sind schmal und nur ganz wenig befahren. Es gibt viel Wald und so auch mal Schatten, was bei Temperaturen um 30° Grad ja auch ganz gut ist. So freue ich mich also auf die kommenden Tage und viele Kilometer in ziemlich abgelegenen Gegenden. Das GPS sagt: 95 km., 5:04 Std., 1´300 Hm.
Mittwoch, 22. Juni 2011
Kurz nach acht betrat ich das Restaurant um zu frühstücken. Ich war tatsächlich der einzige Gast. Schon gestern Abend kochte die alte Frau nur für mich und auch heute Morgen war nur ein einziger Tisch gedeckt - schwere Zeiten für alte und abgelegene Hotels.
Das Wetter war von Beginn weg ausgezeichnet. Blauer Himmel, höchstens ein paar wenige Schleierwolken und schon morgens um 25° Grad; der ideale Biketag! Vom Hotel weg ging es nur noch knapp 100 Höhenmeter hoch, bis eine längere Abfahrt in das nächste kleine Dorf folgte. Immer wieder sah ich Autos am Strassenrand parkiert und fragte mich schon, was denn all diese Leute im Wald suchen, doch als ich immer wieder Steinpilze direkt am Strassenrand sah, war mir klar worum es hier geht. Funghi porchini.
Es folgte Hügel um Hügel, jedesmal etwa 2-300 Höhenmeter. Meist bewaldet und auch die Aussicht zeigt meist bealdete Hügel. Wenn man zurückschaut weiss man jeweils kaum, woher man überhaupt kam, denn vieles sieht sehr ähnlich aus.Unterwegs kam ich an nebenstehender Infotafel vorbei.
Unterwegs kaufte ich Früchte und ein Pack Guetsli, damit ich von Restaurants unabhängig bin, da ich eh nie weiss, wann überhaupt das nächste Restaurant in Reichweite kommt. Zudem haben im Laufe des Mittags viele Lokale geschlossen und etwas richtiges Essen kann man meist nur abends.
Ich genoss den Tag in vollen Zügen und als ich nach einem Hotel Ausschau hielt, fiel mir ein Schild auf: "Bike & Bed" 16 Kilometer bis Montoggio. Klingt gut. Da wollte ich hin und knapp eine Stunde später war ich dann auch da. Die Enttäuschung folgte jedoch auf dem Fuss. Keine Garage, kein Sondertarif für Velofahrer, überhaupt nichts Spezielles und für 50 Euro auch ziemlich teuer (ohne WLAN). Das sagte ich ihm auch, worauf er ganz cool entgegnete: "Im nächsten Dorf gibt es einen Campingplatz. Da kannst Du für 15 Euro schlafen."
Ha,ha.... Ich war müde und wollte nicht zelten.. Nach zweimal schlucken zückte ich dann meine ID und schrieb mich für Zimmer 101 ein. Das war wenigstens sehr gross, sauber und hatte eine Art Veranda, wohin ich dann mein Bike stellte und am Geländer festschloss. Wenbigstens gab es zum Abendessen eine riesige Portion Linguine al sugo. Das GPS sagt: 109 km., 6:26 Std., 1'730 Hm.
Donnerstag, 23. Juni 2011
Heute legte ich eine Monstertour zurück und bin nun entsprechend müde. Da ich hier in Bedonia endlich wieder einen Internetzugang benutzen kann, werde ich die vorgeschriebenen Berichte der letzten Tage nun nachreichen. Ob es mir auch noch gelingt, Fotos beizufügen, wird sich zeigen.
O.K. das wäre geschafft! Auch das Fotoalbum habe ich nachgeführt. Für den weiteren Verlauf der Reise gilt natürlich das Gleiche: Im Hinterland dürfte es eher die Ausnahme als die Regel sein, dass ich über WLAN und Internet verfügen kann. Mit meinem schweizer PrePaid-Mobileabo will ich nicht online gehen, da dies einfach viel zu teuer ist. Wenn es hier also wieder einmal ein paar Tage ruhig bleibt, hat dies noch nichts zu bedeuten. Bis zum nächsten Mal!
Heute war ich etwas früher dran und nach Cappuchino und Pampe-Aprikosen-Brioche starte ich bereits kurz nach acht Uhr die Aufzeichnung am GPS.
Gleich zu Beginn stieg die Strasse an und ich merkte die 1'700 Höhenmeter von gestern doch deutlich. Ich fragte mich, ob ich mehr Gepäck dabei hatte, doch es brauchte einfach so seine Zeit, bis meine Beine auf Betriebstemperatur kamen.
Es war heute zioemlich stark bewölkt und ich musste mit Regen rechnen. Das Aussenthermometer am Hotel zeigte auch nur 19° Grad und nach der ersten Steigung auf etwa 850 m.ü.m. fröstelte mich leicht. Ich fühlte mich nicht besonders und hielt scchon bald Ausschau nach einer Cafetteria wo ich dann länger als üblich sitzen blieb. Na ja, ich kann ja nicht schon gegen zehn Uhr ein Hotel suchen, das geht gar nicht! Also los, überwinde Dich und steig aufs Rad!
Etwas lustlos fuhr ich weiter und wurde dafür vom Allerfeinsten belohnt. Es folgte nämlich eine fast 50 Kilometer lange Abfahrt bis nach Masaglia. Schon in der Strassenkarte ist diese Strecke grün, als besonders schön, gekennzeichnet und das kann ich voll unterschreiben. Man folgt immer einem Fluss, der sich wohl über tausende von Jahren sein Bett in diese Hügellandschaft gefressen hat. Wie sagt man? Er mäandert dahin? Wie auch immer, es erinnerte mich wieder stark an das Tessin und die Maggia, einfach grösser, weiter und weniger bevölkert.
Das hat meine Stimmung ganz erheblich gesteigert und auch das Pannini sowie das Eis zum Dessert, welches ich mir in Masaglia gönnte, baute mich weiter auf. Mittlerweile standen 70 km auf dem Tacho, es war um 14 Uhr, was nun? Ich sah das Schild "Ferriere 25km". Ja, das passt, das packe ich noch. (Man beachte die 70km-Marke im Höhenprofil)...
Kaum bin ich losgefahren, fielen dann die ersten Regentropfen und ich kramte die Regenjacke hervor. Dies jedoch nur für fünf Minuten. Die Strassen wurden kaum nass, bis alles schon wieder vorbei war und der Himmel deutlich aufhellte.
Die Steigung auf den Passo di Marcallla (1'060 m.ü.m.) war schön gleichmässig und sehr angenehm, weil man immer wieder fantastische Ausblicke auf die umliegenden Hügel erhielt. Seit dem Gotthard bin ich nun erstmals wieder auf über 1000 Metern über Meer. Die anschliessende Abfahrt nach Ferriere war dann erste Sahne, auf einer schmalen Bergstrasse, ohne jede Gegensteigung. In Ferriere setzte ich mich dann in das einzige Caffee an der Piazza. Ferriere ist ein kleines Nest. Ob die überhaupt ein Hotel haben?
Ich schaute auf die Uhr. 16 Uhr... Mittlerweile blauer Himmel, angenehm warm, gutes Velowetter. Weshalb also stoppen? 95 Kilometer sind ja auch irgendwie doof... Komm, fahr noch ein Stück!
Zugegeben, ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da einliess. Die Strasse stieg an und es war irgendwie kein Ende abzusehen. Bei 1'100 Metern über Meer stellte ich erstaunt fest, dass ich noch höher war, als der Pass vor Ferriere. Was soll's, lange wird es wohl nicht mehr hochgehen.... dachte ich... es zog sich hin... endlich ein Schild: Passo Zovallo, 1 km. Das Schild fotografierte ich natürlich, doch zu meinem Erstaunen war dies noch nicht der Kulminationspunkt. Die Strasse stieg weiter an, ich passierte die Regionsgrenze zu Parma und auf 1'540 Metern über Meer war es dann zum Glück endlich geschafft. Meine Beine waren bleischwer. Mittlerweile war es nach 18 Uhr und auf dieser Höhe doch ziemlich frisch. Also rasch eine Jacke überziehen und sich in die Abfahrt stürzen.
Wobei "stürzen" ein Stichwort war, welches mir durch den Kopf ging. Ich war mittlerweile richtig müde, hatte kalt und musste meine Konzentration hochhalten. Es waren an die 1'000 Höhenmeter zu vernichten und ich weiss aus Erfahrung, wie schnell man ich einer solchen Situation einen Fehler macht und im Strassengraben landet. Alles nur nicht "stürzen"! Also lieber etwas mehr bremsen und vorsichtig fahren...
Endlich kam ich in Bedonia an, wo ich gleich ein schönes Hotel fand, wo ich jetzt an der Bar sitze und einen Gute-Nacht Cappuchino trinke. Das GPS lieferte unglaubliche Daten: 139 km., 8:21 Std., 2'430 Hm. Da überlege ich mir doch glatt, ob ich morgen auch noch hier bleiben soll, mich etwas ausruhen und die Fotos nachliefern... das wäre eine Idee. Mal sehen. Erst mal brauche ich eine Mütze Schlaf. Das war wirklich ein Hammertag!
Freitag, 24. Juni 2011
Der Morgen verlief dann ganz nach Plan. Von Bedonia ging es die ersten 15 Kilometer stets leicht abwärts, was ideal war um die angemüdeten Beine etwas zu lockern und in Schwung zu bringen. Als dann die Steigung zum ersten Pass folgte, war ich guter Dinge und kurbelte relativ locker hoch. Ich war erstaunt, wie gut ich mich an das über 30 Kilo schwere Bike gewöhnt hatte. Den Kulminationspunkt erreichte ich nach etwa 500 Höhenmetern, was etwas mehr als eine Stunde Bergfahrt bedeutete.
Es folgten 20 Kilometer Talfahrt bis nach Pontremoli, wo ich ideal zur Mittagszeit eintraf. Ich wollte unbedingt eine schöne Portion Pasta essen, denn irgendwie ahnte ich schon, dass ich nachmittags jede Energie gebrauchen kann. Die nebenstehende Trattoria bot dann alles, wonach ich suchte. Zuerst etwas Eiweiss in Form von Trockenfleisch (Salami, Copa, geräucherter und gekochter Schinken) und danach Kohlenhydrate als Linguine ai funghi porchini. Dazu ein kleines Bier und ein Liter Mineralwasser. Das war richtig lecker.
Nach den Wolken am Morgen wurde es nun immer schöner und auf 250 Metern über Meer war es mit etwa 26° Grad auch angenehm warm. Perfekt! Gut motiviert machte ich mich auf zum zweiten Pass. Schon kurz nach Pontremoli steigt die schmale Strasse giftig an und die umliegenden Berge zeigten mir an, dass es jetzt ganz sicher mehr als 500 Höhenmeter geben wird. Der Schweiss begann in Strömen zu fliessen, ich tropfte nur so vor mich hin, was mich scheinbar für Schmeissfliegen sehr attraktiv machte. Zu Dutzenden umschwärmten sie mich und ich kam mir vor wie eine Kuh in den Bergen. Zeitweise zählte ich gegen zehn Fliegen auf einem Handschuh. Na ja, solange sie mir nicht ins Gesicht sitzen ist es nur lästig, denn stechen können sie ja nicht.
Bis zur Passhöhe des Passo del Cirone waren es dann ziemlich genau 1'000 Höhenmeter und oben angekommen musste ich mich in die Büsche schlagen, um trockene Kleider anzuziehen. Denn auch in den Apenninenbergen gilt: Pro 100 Meter Höhe ca. 1 Grad kühler. Bei nun geschätzten 16° Grad wollte ich mich bergrunter nicht verkühlen, denn schon gestern Abend tropfte mir leicht die Nase, was zum Glück heute schon wieder vorbei war. Na ja, so wusste ich nun, weshalb ein Radreiseführer empfahl, drei Set Velokleider mitzunehmen. 1x am Körper, 1x zur Wäsche, 1x Reserve. Ich zückte also die Reserve und machte mich gut gelaunt auf die Abfahrt. Wobei, das mit der Abfahrt war nur ein kurzes Vergnügen, denn schon auf etwa 850 Metern über Meer änderte sich die Richtung wieder.. und zwar berghoch.
Das schätzte ich nun gar nicht und ich machte eine kurze Pause um zu überlegen, was ich tun soll. 75 Kilometer und 1'650 Höhenmeter standen mittlerweile auf dem Tacho. Viel Varianten hatte ich aber nicht, denn weit und breit war keine grössere Ortschaft zu sehen. Meine 1:600'000-Karte bot auch nicht viel an Information. Was soll's.. weiterfahren... immer der violetten Linie im GPS-Display nach. Es ging also wieder berghoch. Ich war irgendwie in einem Skigebiet, denn immer wieder waren Loipenschilder zu sehen und Sessellifte waren angeschrieben. Hmm... die Berge rundherum sind auch nicht kleiner geworden... egal.
Auf etwa 1'200 Meter über Meer war dann plötzlich fertig mit Asphalt und es begann eine ziemlich holprige Schotterstrasse. Ich motiviere mich mit Sätzen wie "weit kann's ja nicht mehr sein" und "wenn ich den erwische, der diese Strecke geplant hat, dann kriegt der aber was zu hören!". Eine gefühlte Ewigkeit später lichtete sich der Wald und unvermittelt kam ich an einen schönen Bergsee. Baden verboten! Das ist ein Fischrevier und man kann die grossen, dicken Fische gleich vom Ufer sehen und ich denke, dass man da kaum eine Angel braucht um so ein Ding zu fangen. Die schmeissen hier wohl immer wieder neue Fische rein...
Gleich daneben, ein Rifugio (eine Berghütte). Davor ein paar 4x4 Autos und drei Motocrossmaschinen, ja, das sind die richtigen Fahrzeuge für die Gegend. Ich will nicht hier übernachten und die umliegenden Berge zeigen auch an, dass ich noch nicht am höchsten Punkt angelangt bin. Ich hätte zwar Hunger, doch mittlerweile ist es schon halb sechs Uhr abends und die Bewölkung hat wieder zugenommen. Ich wollte einerseits von den anwesenden Rifugio-Gästen nicht als Spinner angesehen werden und andererseits möglichst noch ohne Regen eine Unterkunft finden. Deshalb fuhr ich weiter... nochmals 100 Höhenmeter mit grobem Schotter, dann hatte ich es endlich geschafft. Obwohl, bergrunter war der Weg noch fast schlechter und es schüttelte so stark, dass ich zwischendurch anhalten und die gefühllosen Hände ausschütteln musste. Das ist ja wie in guten alten MTB-Zeiten, starr, nur mit den Armen und Beinen als Federung. Ich fuhr extra vorsichtig, denn ein Sturz oder eine Panne in dieser Wildnis wäre das Letzte gewesen, was ich nun noch gebraucht hätte.
Endlich kam wieder asphaltierte Strasse, bis zur Abzweigung Passo Laga???.. Was wieder berghoch? Ich glaubs ja nicht. Welcher Arsch plant denn sowas? Ich denke mir: Weit kann's nicht mehr sein, vielleicht 3-400 Höhenmeter, auf die kommt es nun auch nicht mehr an. Nach etwa 200 Höhenmeter kam dann der Hammer. Die Strasse über den Pass ist infolge Bauarbeiten den ganzen Sommer gesperrt. Nein! Würde ich fluchen, hätte ich ganz grausam geflucht. Ich war nudelfertig, es war mittlerweile 19:30 Uhr und ausser ein paar Ferienhäuser war nichts zu sehen. Auf über 1'000 Metern über Meer war es mittlerweile auch ziemlich kühl (um nicht kalt zu sagen).
Ich entschloss mich umzudrehen und so weit wie möglich auf asphaltierter Strasse runter zu fahren und im erstbesten Rifugio/Albergo/Hotel/Agriturismo/was-auch-immer ein Zimmer zu nehmen. Bloss, so einfach war das nicht. Die Dörfer auf meiner Strecke waren selten mehr als eine Ansammlung von ein paar Dutzend Häusern und die Hälfte davon hatte verriegelte Türen und Fenster (Thema: kalte Betten). Zu allem Ärger fielen dann auch noch ein paar Regentropfen. Nicht das auch noch! Petrus schien mich zu erhören und nach ein paar Minuten war schon wieder Schluss damit. Zum Glück. Meine Zimmersuche musste ich je länger je mehr vergessen. Da gibt es nichts! Davon aber jede Menge...
Ich entschliesse mich deshalb widerwillig wild zu campieren. Nur wo? Hier gibt es kaum eine flache Stelle... Die Lösung ist eines der leerstehenden Ferienhäuser. Möglichst etwas von der Strasse weg, damit mich nicht gleich jemand sieht. Nach etwas suchen wurde ich fündig und wollte schon das Zelt auf dem Vorplatz aufstellen, was aber auch nicht funktionierte. Das Zelt steht nur mit mindestens vier Verankerungspunkten am Boden und der gepflästerte Vorplatz ist nichts für meine Heringe. Auch das noch. Ich schaue rund ums Haus und suche mir die flachste Stelle. Mittlerweile dunkelt es schon ein. Also nicht lange fackeln! Zelt auspacken, aufstellen, Isomatte aufblasen und den Schlafsack bereit machen. Müde, stinkend und verschwitzt verkrieche ich mich ins Zelt. Zum Nachtessen gab es einen Energieriegel mit Wasser. Vor dem Lichterlöschen checkte ich noch kurz das GPS und da wusste ich, dass ich selbst im Zelt gut schlafen werde. Was für ein Tag! Das GPS sagt: 122 km. 8:23 Std., 2'970 Hm.
Samstag, 25. Juni 2011
Theorie und Praxis ist oft wie Marx und Murks. Das stellte ich in den letzten tagen wiedereinmal fest. Während ich zuhause mein Route für die Sommerreise zusammenklickte erlebe ich nun, wie die Praxis ausschaut. Während der Planung dachte ich noch, dass weg von grösseren Ortschaften das Richtige sei. Nun stelle ich jedoch fest, dass ich lieber in einem Hotelbett schlafe als irgendwo in freier Wildbahn campiere. Hotels/Albergos oder Agriturismos gibt es aber vor allem in Ortschaften mit mehr als 100 Einwohnern und die sind derzeit hier rar. Mit 20 hätte ich das vielleicht noch lustig gefunden, mit fast 48 ist das jedoch nicht mehr so mein Ding. Zumal die Hygiene so zwangsläufig leidet und ich bin nunmal nicht der Typ, der gerne stinkende Kleider trägt. Auch ein richtiges Klo hat Vorteile, wenn man den ganzen Tag im Sattel sitzt.
Zudem unterschätzte ich, dass es auch hier auf über 1'500 Metern über Meer teils noch empfindlich kühl ist. Ja ich weiss. Es wird noch so heiss werden, dass ich mich an diese Tage gerne zurückerinnern werde, doch derzeit hätte ich es gerne etwas wärmer.In der ersten Woche war ich sechs Tage unterwegs und fuhr dabei 610 Kilometer mit knapp 4'100 Höhenmetern. Das fand ich sehr angenehm und dachte mir deshalb, dass ich diesen Rhythmus, 6 Tage fahren, 1 Ruhetag beibehalten möchte. In der zweiten Woche bin ich nun fünf Tage unterwegs, 550 Kilometer und etwas über 10'000 Höhenmeter. Wenn ich die kommende Route anschaue, geht es munter so weiter. Die grosse Lust, morgen wieder an die 2'000 Höhenmeter zu fahren, ist momentan etwas weg.
Ich unterschätzte auch, dass ich zeitweise wirklich durchs Niemandsland fahre und deshalb stets genügend zu essen und zu trinken dabei haben muss. Gerade gestern, als ich wild zelten musste, hätte ich gerne mehr als ein Energieriegel gegessen und den letzten halben Liter Wasser getrunken.
Gesundheitlich geht es mir trotz den Anstrengungen aber dennoch sehr gut. Weder die befürchteten Sitzbeschwerden, noch einschlafende Hände sind bis jetzt ein Thema. Sitzcreme und Lenkerhörnchen sei Dank! Einzig im Nacken bin ich etwas verspannt und natürlich habe ich schwere Beine, was aber alles noch im grünen Bereich liegt.
Nach dem Rumgejammer noch kurz zum heutigen Tag.
Kurz nach sechs Uhr war fertig mit schlafen und ich kroch etwas zerknittert aus dem Zelt. Es blieb noch ein Energieriegel und etwa 2dl Wasser - da habe ich doch schon besser gefrühstückt...
Das Aussenzelt war wieder nass von Kondenswasser und so wollte ich es nicht einpacken. Ich legte es auf dem Ferienhausvorplatz aus und versuchte es so gut wie möglich mit einem Lappen zu trocknen. Dann packte ich den übrigen Kram zusammen. Mittlerweile hatte ich nur noch verschwitzte Bikekleider... auch viele andere Kleidungsstücke waren leicht feucht. Ich zog das noch brauchbarste Set an und band mir ein Set oben auf die Packtaschen. Da diese plastifiziert und wasserdicht sind, trocknet in den Taschen ja gar nichts. Bis ich endlich abfahrbereit war, war es kurz vor acht Uhr. Der Himmel war wolkenverhangen und es war ziemlich frisch.
Ich entschied mich im nächsten Dorf ein Einkaufsgeschäft zu stürmen und mir erstmal die Kalorien einzuverleiben, die ich gestern verbrannte. Das hat zum Glück auch wunderbar funktioniert, denn schon noch etwa 20 Minuten erreichte ich ein kleines Dorf mit einem offenen Mercato. Mit 2 Sandwiches, 2 Pfirsiche, 2 Bananen, eine Tafel Schokolade, ein Pack Guetsli, ein Jogurt und einer 1,5l Flasche Eistee bewaffnet setzte ich mich direkt vor dem Geschäft auf eine Bank und futterte was ich konnte. Währenddessen überlegte ich mir, wie ich weiterfahren soll und studierte dazu die Karte.
Ich entschied mich möglichst direkt auf meine Route zurückzukehren und einfach weiter dieser violetten Linie auf dem GPS zu folgen. Nach ziemlich genau 20 Kilometern tauchte diese dann auch im Display auf und ich war somit wieder auf Kurs. Und auf Kurs zu sein heisst auch, dass es gleich wieder kräftig berghoch geht. Und weil die Berge nun immer etwas höher werden, ging es heute bis auf etwas über 1'600 Metern über Meer, was an die drei Stunden Bergfahrt hiess. Um dem noch einen draufzusetzen stand ein Schild am Strassenrand 12% Steigung auf 4 Kilometer. Hart. Mit 20 Kilo Gepäck noch härter.
Auf der Passhöhe wurde ich wenigstens mit einem grossen Rifugio belohnt, wo bestimmt ein dutzend Motorräder draussen standen. offen hat es, nur weshalb sitzt niemand draussen? Weil es nur etwa 12° Grad "warm" war und eine steife Brise wehte. Deshalb betrat ich ich die Gaststube und gönnte mir eine feine Portion Spaghetti alla Bolognaise.
Auf der Abfahrt schlotterte ich und als auf knapp 1'000 Metern über Meer mein GPS schon wieder bergwärts zeigte, hängte ich ab. Nein! Ich will weiter nach unten. Ich will Sonne und Wärme. Es ist übrigens wirklich eindrücklich, wie der Apennin eine Wetterscheide bildet. Auf der Nordseite war es oft stark bewölkt und kühl, während es auf der Südseite sonnig und warm war. Nun fuhr ich südwärts und ich fuhr einfach an der Abzeigung vorbei. In den Süden, in die Sonne und in die Wärme.
In Castelnuovo suchte und fand ich ein schönes kleines Hotel mit einem freien Zimmer. Draussen hat es sogar einen Pool, doch ich hatte (leider) keine Zeit, diesen zu benutzen. Ich leerte alle Packtaschen und machte mich an die grosse Wäsche. Eine Stunde später waren alle Kleiderbügel aufgebraucht und der Balkon glich einem Trocknungsraum. Bei Temperaturen um 28° Grad (herrlich!) sollte bis morgen alles trocken sein.
Ich weiss noch nicht genau, ob ich morgen wieder in die Berge, zurück auf meine Route fahre oder ob ich gemütlich bis nach Lucca fahre (ca. 50km) und da einen Ruhetag einlege. Im Lucca waren Karin und ich vor ziemlich genau 10 Jahren und das kleine schmucke Städchen hat uns sehr gut gefallen. Da würde ich gerne nochmals hin.
Entschieden wird erst morgen nach dem Frühstück. Ich lasse Theorie mal Theorie sein und mache mir dann einen prktischen Sonntag... Das GPS sagt: 80km. 5:03 Std., 1'600 Hm.
Sonntag, 26. Juni 2011
In der Nacht bin ich aufgewacht und hatte leichte Zahnschmerzen. Das ist meistens ein Zeichen dafür, dass ich wortwörtlich auf dem Zahnfleisch laufe. Die letzten Tage zehrten an meiner Konstitution und es brauchte nun etwas weniger Anstrengung, dafür mehr Kohlenhydrate, Eiweiss, Vitamine und Mineralstoffe. Einzahlungen auf mein Gesundheitskonto und nicht nur dauernde Belastungen.
Wie wenn der Hotelier das mitgekriegt hätte, gab es heute das beste italienische Frühstück meiner bisherigen Reise. Richtiges, dunkles Brot, Butter, Hero-Konfitüre, Orangensaft, dazu Früchte (oh Wunder) und zwei Cappuccini. Das war ein idealer Start in den Tag.
Es war also von Beginn weg klar, dass ich heute nicht in die Berge zurück fahre, sondern eine Flachetappe fahren werde. Nach Lucca waren es knapp 50 Kilometer und diese führten entlang des Flusses Sarcchio fast ausschliesslich bergab. Von etwa 250m.ü.m runter bis etwa 20m.ü.m. Dabei geriet ich mitten in ein Velorennen von der Art, wie ich Anfang April in Cervia ebenfalls an einem teilnahm. Die Spitzengruppe hatte ein beachtliches Tempo drauf und nach und nach kamen immer langsamere Gruppen. Kurz vor dem Besenwagen war dann eine grössere Gruppe kaum schneller als ich und ich hängte mich mitsamt meinem Gepäck an. Das war lustig. Vor mir alles leichte Karbonrennräder mit Fahrern, die wie Profis gekleidet waren und zuhinterst ich, mit 20 Kilo Gepäck als Radtourist. Zugegeben, bergrunter merkt man fast nichts vom Gepäck, denn wenn es mal rollt, dann rollt es. Kurz vor Lucca bogen die Fahrer an einem Krisel ab, wo die Spur nach Lucca gerade aus ging, da verabschiedete ich mich. Danke für etwa 15 Kilometer Windschatten.
In Lucca machte ich auf dem alten Stadtwall zuerst eine Rundfahrt um den historischen Kern, bevor ich mich ins Touristengetümmel stürzte. Interessant fand ich, dass ich mich nach zehn Jahren noch an fast jeden Platz und an jedes Lokal erinnerte, wo ich mit Karin war. In der Innenstadt war es etwa 33° Grad und irgendwie hatte ich gar keine Lust um schon ein Hotel zu suchen. Ich entschied mich, eine Portion Pasta mit Salat zu essen und nachmittags noch etwas weiterzufahren. Dazu schaute ich kurz auf die Karte.
Ostwärts ist gut, das heisst, solange mein Schatten links von mir ist, bin ich richtig. Das klappte ausgezeichnet und irgendwann las ich ein Schild mit der Aufschrift: Montecatini Terme, 12km. Terme klang gut, wie: genügend Hotels und Bademöglichkeit. Montecatini Terme scheint eines der grössten Heilbäder in Italien zu sein. In der Ortschaft gibt es an die 200 Hotels und so konnte ich mich schlicht nicht entscheiden, wo ich denn fragen soll. Ausserdem sah ich auf dem nahegelegenen Hügel eine schöne Ortschaft (Montecatini Alto), die ich gerne noch sehen wollte. Zeit hatte ich noch genügend, also kurbelte ich gemütlich da hoch. Ein Schild Bed&Breakfast motivierte mich zusätzlich. Oben angekommen geniesst man eine herrliche Aussicht, die leider auf Fotos nicht entsprechend rüberkommt, da im Gegenlicht und leicht dunstig. Das B&B entpuppte sich dann als ein Teil eines 5*-Hotels. Preis pro Nacht: 75 Euro. Nein, zu teuer.
Nach Montecatini Terme zurückfahren wollte ich nicht mehr, also fuhr ich auf der Bergrückseite runter und hielt Ausschau nach einer Unterkunft. Und siehe da, nach etwa 10 Kilometern wurde ich fündig. In einem kleinen Vorort von Serravalle di Pistoia erspähte ich ein schön gelegenes Albergo mit Pool und zugehöriger Pizzeria, das war genau das Richtige für mich war. Der Preis inklusive Frühstück war 50 Euro, was ich o.k. fand. Ich verstaute das Gepäck im Zimmer, duschte und wusch die getragenen Bikekleider. Dann nichts wie an den Pool. Gestern hatte ich den Pool ja nur angesehen, heute wollte ich unbedingt auch mal baden und etwas sünnele.Als ich später den PC anwarf war kein WLAN zu finden, was mich nicht überraschte. Überrascht war ich dann aber, als ich das GPS auswertete und fast 100 Kilometer Strecke aufgezeichnet fand. Diese Flachetappe, sowie das warme und schöne Wetter hat mir sehr gut getan. Das feine Abendessen in der Pizzeria rundete den Tag dann entsprechend gut ab. Das GPS sagt: 97 km., 5:03 Std., 430 Hm.
Montag, 27. Juni 2011
Gestern Sonntag war auf den Strassen sehr viel los. Sonntag und schönes Wetter, das trieb Alle hinaus. Ich war nicht so angestrengt und konnte schön meinen Vorurteilen fröhnen.
Als erstes die Motorradfahrer. Da gibt es viele verschiedene Kategorien. Hier in Italien gibt es viele kleine Valentino Rossi's. Ducati Super Corsa und andere Rennraketen sieht man unglaublich viele. Das sind die Leute, die sich die Freiheit nehmen, auch mal zu schnell zu fahren. Dann die vielen Harley Fahrer (Typ John Travolta, Red Hawk Ledergilet über Jeansjacke, wie in dessen Film Easy Rider). Die sind alle entweder schon taub oder sie sind mit Gehörschutz unterwegs. Gerne in Gruppen. Die nehmen sich die Freiheit, es mal so richtig knattern zu lassen. Dann die BMW- und andere Tourenfahrern mit vielen Koffern am Motorrad. Oft mit Sozius, mit Gegensprechanlage und mit der Freiheit alles dabei zu haben, was der sicherheitsliebende Mensch von heute so braucht. Des Weiteren gibt es hier viele Enduro- und Crossfahrer die sich die Freiheit nehmen auch mal abseits öffentlicher Strassen Gas zu geben. Dann die vielen Rollerfahrer, oft mit starken Motoren unterwegs. Die Kategorie der Praktiker. Unter der Woche mit einem Motorrad zur Arbeit und am Wochenende auf Tour. Am liebsten in kurzen Hosen und T-Shirt. Und ein paar Rat-Biker habe ich auch gesehen. Das sind die Harleyfahrer, die ihr Motorrad vergammeln lassen und möglichst nie putzen. Dazu dreckige Jeans, Bart und irgend eine Schüssel als Helm. Der moderne Outlaw. Putzen und waschen ist etwas für Hausfrauen aber nichts für wahre Männer...
Nun zu den Autofahrern. Die schlimmsten Hindernisse sind die Wohnmobile. Sperrig und meist schlecht motorisiert. Zudem schaut die ganze Familie aus dem Fenster und macht schon während der Fahrt Ferien. Dann die Cabriolet-Fahrer, entweder mit Hut oder Stirnband, meist über 50. Tja, man kann es sich halt leisten und Motorrad fahren ist ihnen zu gefährlich. Eine üble Kategorie sind die SUV-Fahrer (die Bürgersteigspanzer à la BMW X5, Audi Q7, Mercedes ML, etc.). Mir ist schleierhaft, weshalb die meisten während dem Fahren am telefonieren sind und weshalb einem gerade diese Autos meist ganz knapp überholen. Vermutlich denken sie einfach, dass neben ihnen niemand mehr Platz hat. Positiv fallen mir die vielen Kleinwagenfahrer auf, von denen es hier viel mehr gibt als bei uns. Einfache Menschen mit Anstand.
Und ich will es nicht verschweigen, es gibt auch genauso viele Kategorien von Velofahrern. An der Spitze stehen die helmlosen Rennradfahrer mit verspiegelter Sonnenbrille und Teamtrikot. Dazu das neuste Karbonvelo und Hightech-Laufräder. Die grüssen nicht und machen immer einen sehr gestressten Eindruck. Die pissen ungeniert an den Strassenrand (mit den komischen Schuhen können sie ja nicht gehen) und wollen scheinbar zeigen, dass sie fitter und schneller sind als alle anderen. Hier in Italien fahren sie immer nebeneinander, egal wie viel Verkehr herrscht. Dann die Mountainbiker... weshalb sieht man hier so viele auf der Strasse? Immerhin grüssen die fast alle sehr freundlich. Dann die Praktiker mit dem Alltagsrad, meist mit Körbchen oder Packtasche. Und ab und zu trifft man auch andere Reiseradler wie mich, die mit Sack und Pack unterwegs sind. Die Kategorie der Öko-Spinner, Selbst-Sucher und Möchtegern-Aussteiger...
In Lucca sass ich etwa eine Stunde in einem Restaurant und beobachtete spazierende Touristen. Davon gibt es genauso viele Kategorien und auch hier könnte man endlos viele Vorurteile pflegen. Der Typ: Ich fotografiere alles! Oder: Schau mal Schatz, was es hier Originelles zu kaufen gibt! Oder: Kind komm her, mach dies nicht und das auch nicht! Oder: Glotzt nur auf meinen dicken Bauch, die weissen Beine in kurzen Hosen und das unpassende Hawai-Hemd. Ist mir egal, denn so bin ich nun mal. Oder: die Reiseführertypen, die alles genau so wie vorgeschrieben abwandern. Und, und, und...
Ich stelle fest, dass ich ganz schön viele Vorurteile mit mir herumtrage, die ich besser vergessen würde. Ich schubladisiere hier Individuen ohne sie zu kennen. Ist etwas armseelig und nimmt einem zeitweise auch die Möglichkeit auf neue, interessante Kontakte. Vielleicht hilft es, wenn ich mir dessen schon einmal bewusst werde. Das Bild des Tages zeigt meine Füsse, die so quasi den Negativabdruck meiner Radschuhe zeigen. -> Dieser Beitrag ist eh für die Füsse (oder Füchse)...