wer es sich leisten kann
Der Krieg in der Ukraine dauert an. Die erste Welle von Flüchtlingen ist etwas abgeklungen, doch noch immer fliehen viele Menschen aus umkämpften Gebieten. Das ist verständlich und wird in den Medien auch entsprechend thematisiert. Mehrere Millionen Menschen sind mittlerweile auf der Flucht. Natürlich landet der grösste Teil von Ihnen in den umliegenden Ländern wie Moldawien, Rumänien, Slowakei, Ungarn und (vor allem) Polen. Hier in der Schweiz wird berichtet, dass bisher gegen 50'000 ukrainische Staatsbürger*innen als Flüchtlinge registriert wurden.
Während meiner Rikschafahrten durch die Stadt Zürich sind mir in den letzten Wochen immer wieder Autos mit ukrainischen Nummernschilder aufgefallen. Zu meinem Erstaunen sind das keine alten Klapperkisten sondern vorwiegend neue, grosse und teure Fahrzeuge. Und da sitzen auch eher selten geflüchtete Frauen am Steuer, sondern Männer, die durchaus im "kriegsfähigen" Alter sind. Das hat mich natürlich zum Nachdenken gebracht.
In den Medien wird vor allem berichtet, dass viele Väter ihre Familien ins Ausland in Sicherheit bringen und dann zurück in die Heimat fahren um ihr Land zu verteidigen. Die ukrainische Regierung bittet alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren im Land zu bleiben und sich dem Kampf zu stellen. Es heisst also, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge Frauen und Kinder sind. Das glaube ich auch und das will ich gar nicht in Abrede stellen.
Wenn ich nun aber in diese ukrainischen Autos sehe, zeigt sich mir ein leicht anderes Bild. Bei einem Krieg flüchten zuerst wohl diejenigen, die es sich leisten können und die Kontakte ins Ausland haben. Diese Menschen landen dann auch nicht in einer grenznahen Flüchtlingssammelstelle, sondern sie fahren weiter um eine möglichst grosse Distanz zwischen sich und den Krieg zu legen. Es ist also eine gebildete und gutverdienende Oberschicht, die sich zuerst in Sicherheit bringt. Diese Menschen habe auch gute Chancen um in den Zieldestinationen Unterkunft und auch Arbeit zu finden. Hier gibt es für Ukrainer*innen einen sogenannten Flüchtlingssonderstatus F, der auch gleich eine Arbeitsbewilligung beinhaltet (wovon Flüchtlinge aus Syrien oder Afrika jahrelang nur träumen können).
Das ist natürlich fein, denn so belasten diese Flüchtlinge nur minimal unser Sozialsystem und auch für die Wirtschaft ist das gut, denn gerade gutausgebildete Fachkräfte sind hier Mangelware. So kann mache Stelle schnell und unbürokratisch besetzt werden und die Unternehmen werden auch noch dafür gelobt, dass sie den Flüchtlingen helfen. Quasi win-win.
Für die Ukraine selbst ist diese Entwicklung jedoch schlecht. Da findet ein gewaltiger Abgang an Intelligenz, Wissen und Fähigkeit statt. Und ob dieser Personenkreis nach dem Krieg in ein zerbombtes Land zurückkehren und beim Wiederaufbau helfen wird, bleibt auch ungewiss.
Ebenfalls in den Medien sehen wir fast tagtäglich, dass in vielen der angegriffenen Ortschaften nur noch arme und alte Menschen ausharren. Genau die, die anderswo auch keine gute Perspektive haben und die, die zu gebrechlich sind um zu fliehen. Sie können nicht weg und wollen auch nicht mehr weg. Das ist ihre Heimat, wo sie ihr ganzes Leben verbrachten und nun halten sie sich fest an ihren Habseligkeiten und nehmen deshalb auch hin, dass sie im schlechtesten Fall sterben werden.
Krieg ist grausam. Immer. Ob im Jemen, in Syrien, in Afganistan oder eben in der Ukraine. Wer es sich leisten kann, der haut ab und sucht sein Glück in der Ferne. Das ist menschlich. Nur zeigt sich dadurch auch, dass dies für das Land selbst eine Tragödie ist.