Dienstag, 20. Januar 2009
stiller, älter, bequemer oder weiser?
Seit schon fast 10 Jahren surfe ich regelmässig verschiedenste Diskussionenforen im Internet ab. Natürlich dreht es sich in erster Linie um Mountainbikes, -teile und -touren. Ich nehme aber ab und an auch an politischen Diskussionen teil und bei Lust und Laune stehen auch philosophische und esoterische Foren auf meinem Online-Speiseplan.
Schon seit einiger Zeit stelle ich fest, dass ich je länger je weniger mitdiskutiere und vermehrt nur noch mitlese. Während ich früher noch begeistert meine eigene Meinung kund tat und auch mal beherzt mitgestritten habe, so kommt es immer mehr vor, dass ich zwar noch beginne eine Antwort zu schreiben, dann aber mitten drin abbreche. Oder ich verschiebe meine Antwort auf den nächsten Tag um es dann ganz sein zu lassen. Oft denke ich dabei, dass meine Ansicht gar nicht so wichtig ist, dass ich sie nun kund tun müsste. Ich werde zunehmend stiller... woran das wohl liegt?
Werde ich einfach bequemer, fauler, oder ist auch das nur eine Phase? Wobei... auch mein ganz persönliches Umfeld hat mir schon signalisiert, dass ich zunehmend stiller werde und nicht mehr so beherzt diskutiere wie früher einmal. Vielleicht werde ich auch bloss älter und ein bisschen weiser. Ich habe gelernt, dass jede Meinung persönlich ist und dass das, was für mich stimmig und richtig ist, noch lange nicht für Andere stimmen muss. Es ist auch nicht nötig, dass ich immer meinen Senf dazu gebe und alles kommentiere...
Auf der einen Seite sehe ich das positiv, als Grosszügigkeit, als Akzeptanz des Gegenübers. Ich habe gelernt, mir andere Meinungen und Ideen anzuhören ohne alles immer gleich auf mich und mein Gedankengut zu beziehen. Die Zeiten sind irgendwie vorbei, wo ich ungefragt Andere mit meiner Sicht der Dinge "belästigen" will. Wenn es für den Erzähler stimmt, dann ist ja alles gut. Wenn dann keine Frage zum Schluss kommt, braucht es von mir auch keine Antwort oder eine Schilderung dessen, was ich dazu denke. Ausserdem mag ich gewisse Dinge, die ich früher mal von grundauf durchdacht habe, nicht immer wieder von vorne durchkauen. Ich habe es mir genau überlegt und mir aufgrund von a), b) und c) eine Meinung gebildet. Punkt.
Doch es gibt halt -wie immer- auch eine Kehrseite der Medaille. Ich stelle fest, dass ich mich geistig zunehmend bequem in meiner eigenen Welt einrichte. Denn so wie ich pseudo-grosszügig anderen Menschen ihre eigene Wahrheit zugestehe, so stelle ich meine eigene Sicht der Dinge, meine eigene Wahrheit, je länger je weniger in Frage. Dies auch, weil ich meine Überzeugungen und Ansichten nicht mehr wirklich diskutiere und mit Argumenten erklären oder belegen muss. Das heisst also: ich werde stiller, geistig bequemer und so können über eine gewisse Zeit auch ganz simple Denkgewohnheiten zu Meinungen, Ansichten und Überzeugungen wachsen, ohne dass ich sie je wirklich hinterfragt und zumindest für mich selbst verargumentiert hätte.
Von Zeit zu Zeit ertappe ich mich in solchen Denkmustern. Ich merke dann, dass meine Gedanken für mich zwar bequem sind, dass sie aber bei genauem Überlegen, gar nicht schlüssig und stimmig sind. Oder auch, dass ich mir zu verschiedenen Themen zwar je eine Meinung gebildet habe, dass diese Meinungen in Summe betrachtet aber nicht konsistent sind. Das heisst, ich erlaube mir widersprüchliche Ansichten ohne ein Gefühl von Schizophrenie zu empfinden.
Sind das nun Zeichen des Alterns, der geistigen Ermüdung oder ist das vielleicht ein kleines Bisschen Weisheit?
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Kommentare
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somersson am :
sehr interessanter text, danke für diese philosophischen gedankenspiele die ich (38j,m,mountainbiker) auch sehr gut kenne.
schön in einem mountainbikeblog auch solche meinungen lesen zu dürfen.
ein (meist) stiller mitleser
somersson