Als alter, weisser Mann, mit Jahrgang 1963, gehöre ich zu den Baby-Boomer und als solcher muss man in den letzten Jahren doch einiges einstecken. Für die heutigen Jungen sind wir für so ziemlich alles Negative auf dieser Welt verantwortlich. Das kann einem schon zu denken geben und wenn man ganz ehrlich ist, dann ist an dieser These wohl mehr als nur ein Körnchen Wahrheit dran...
Mein politisches Bewusstsein entwickelte sich in den 1980er Jahren, zu Zeiten des Punks und von "No future!". Der kalte Krieg hatte Atomwaffenarsenale erzeugt mit denen man die Erde mehrfach hätte sprengen und atomar verseuchen können. Die Industrie pustete ungefiltert Abgase in die Atmosphäre, so dass saurer Regen entstand und ein vermehrtes Waldsterben auslöste. Und natürlich kannten wir "Die Grenzen des Wachstums" vom "Club of Rome" von 1972. Ja, trotz des andauernden wirtschaftlichen Fortschritts hatten wir Zukunftsangst und wir waren überzeugt, dass unsere schlafwandelnden Politiker nicht willens oder fähig genug sind um "die richtigen" Entscheidungen zu fällen. Es war damals schon sonnenklar: Es geht immer nur um Geld und Macht. Ein mich prägender Satz von damals war: "Erst wenn der letzte Baum gefällt ist werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann!"
Wir waren ohnmächtig. Wir sahen keine Chance, wie man dieses System verändern könnte, weil alle nur immer mehr Wohlstand, Besitz und Geld anstrebten. Uns war klar, dass Politik und Macht korrumpiert. Bis man wirklich in der Position wäre um echte Veränderungen herbeizuführen, wäre man selbst so sehr "gebrainwashed", dass man ins selbe Horn des Wachstums und der Besitzstandswahrung stossen würde. Es erschien uns aussichtslos. Und ein entscheidender Punkt war auch, dass auch wir keine Lösung für das zerstörerische Wachstums-/Kapitalismus-/Geld-Problem kannten. Wir hätten gerne den Kapitalismus überwunden, doch wir hatten keine Idee und keinen Plan, was denn eine bessere Gesellschaftsform sein könnte.
Als 1989 die DDR und 1990 die Sowjetunion zusammbrach, bejubelte die restliche Welt den Sieg über den Kommunismus. Ich dachte damals, dass der Kapitalismus ein genauso marodes Gebilde ist und einfach Glück hatte, dass diese kommunistischen Staaten zuerst kollabierten. Die DDR und Westdeutschland wurden vereint und die abgespaltenen Staaten der Sowjetunion wandten sich dem Westen und dem Kapitalismus zu, was diesem neue Märkte und neue Schubkraft verlieh. Die Chance auf eine verbesserte Form, einer "sozialen Marktwirtschaft" konnte oder wollte jedoch nicht genutzt werden.
Im etwa ähnlichen Zeitraum wurde von Ronald Reagan und Margaret Thatcher die Büchse der Geld-Pandora vollends geöffnet. Zwei der grössten Volkswirtschaften bauten ihr Steuersystem radikal um. Der Staatshaushalt sollte zurückgebunden werden und zukünftig statt von direkten, progressiven Einkommenssteuern, von indirekten Volkssteuern (man nennt dies heute auch Mehrwertsteuer) finanziert werden. Als Beispiel wurde der höchste Einkommenssteuersatz in den USA von 70% auf 28% gesenkt. Die Idee dahinter war, dass erfolgreiche Geschäftsleute so eher motiviert sind ihr Kapital weiter zu investieren, dass dadurch mehr Arbeitsplätze entstehen und somit die Wirtschaft schneller wächst und grösserer Wohlstand entsteht. Der Staat soll an sich kein grosser Akteur mehr sein, sondern den freien Markt spielen lassen und sich nur um möglichst optimale Rahmenbedingungen kümmern. Der bis heute andauernde neoliberale Kapitalismus wurde eingeläutet.
Dass der viel beschworene "trickle-down"-Prozess nicht wirklich funktioniert mussten wir in der Zwischenzeit genauso lernen, wie dass es privat geführte Firmen (Banken) gibt, die "to-big-to-fail" sind und im Krisenfall durch den Staat und deren Steuerzahler vor dem Untergang gerettet werden müssen (weil das sonst zu grossen Schaden für die Volkswirtschaft bedeuten würde). Zudem stellen wir zunehmend fest, dass Monsterfirmen (oder: Global Players) Politik und Wissenschaft beeinflussen. Sie spielen Staaten geschickt gegeneinander aus um möglichst wenig Steuern zu bezahlen und reguliert zu werden. Und letztendlich hat das geringe Abschöpfen von Einkommenssteuern auch dazu geführt, dass eine neue Klasse von superreichen Menschen entstanden ist.
Man könnte jetzt noch andere Beispiele bemühen, doch man dreht sich immer um die Kernpunkte Kapital/Geld, sowie Zins und Zinseszins. Solange dies die einzig weltweit anerkannten Werte sind, wird sich nichts ändern "bis dass der letzte Baum gefällt ist".
Irgendwie muss ich in diesem Blogeintrag nun wieder die Kurve kriegen... Also: Wir wussten, dass das kapitalistische System ziemlich fehlerhaft ist und die Frage nach den Grenzen des Wachstums nicht beantworten will/kann. Aber, wir hatten und haben auch heute noch keine bessere Idee. Wir entpolitisierten uns, weil keine der verfügbaren Parteien einen sinnvollen Lösungsansatz präsentieren konnte. Wir zogen uns ins Private zurück und machten soweit mit, wie uns das System diente. Auch wir brauchen Geld und verkaufen uns dafür... Und es lässt sich nicht leugnen: Wir haben immer gut konsumiert, sind in der Welt herum geflogen, haben ferne Länder bereist und liessen es uns gut gehen. Wir haben uns ein Stück vom Kuchen abgeschnitten und ignoriert, dass irgendwann der Kuchen alle ist.
Das bringt mich nun zurück zum Titel: Ja, wir haben es verkackt! Vielleicht hätten wir vor 30 oder 40 Jahren wirklich kämpfen müssen. Weil wir aber keinen besseren Lösungsansatz kannten, haben wir uns für Rückzug entschieden. Obwohl wir wussten, dass dieses System nicht aufgehen kann und nicht aufgehen wird. Wir handelten also wider besseres Wissen. Und so gesehen müssen wir uns die Vorwürfe der heute jungen Menschen durchaus gefallen lassen. Ungesehen davon, ob diese jungen Menschen nun einen Lösungsansatz kennen oder nicht. Wir haben ihnen viel eingebrockt, mit dem sie nun zurechtkommen müssen.
Ob der Klimawandel nun wirklich so hässlich wird wie (skeptischen) Prognosen vorhersagen oder nicht, das weiss ich nicht. Doch wir glaubten früher auch an die atomare Vernichtung der Menschheit, an das Sterben der Wälder und an heftige kosmische Strahlen infolge des Ozonlochs. Diesen früheren Ängsten gegenüber zeigt der Klimawandel nun aber immer deutlicher seine Evidenz. Es gab wohl noch kaum ein Jahr mit so vielen Waldbränden, Überschwemmungen, Dürren und anderen Naturkatastrophen. Schon seit Jahren steigen die Temperaturen auf der Erde und ich schreibe diesen Beitrag am Ende eines Septembers, der als der heisseste September seit Aufzeichnung der Wetterdaten in die Geschichte eingehen wird....