Freitag, 31. Januar 2025
Wachs statt Öl
Schon seit vielen Jahren gibt es Kettenschmiermittel, die auf Wachs (Paraffin) statt auf Öl basieren, doch auf breiter Front konnte sich das bis anhin nicht durchsetzen. Irgendwie fragt man sich weshalb, denn die zwei grössten Vorteile klingen doch wirklich verlockend:
- Nie mehr ölverschmierte Hände, Unterschenkel oder Hosen, weil man mit der öligen Kette in Berührung gekommen ist.
- Weniger Verschleiss von Ketten, Kassetten und Kettenblättern, die mit Wachs mindestens 3x länger halten als bei Ölschmierung.
Und gerade dieser zweite Punkt finde ich doch eigentlich schon matchentscheidend genug. 12-fach-Schaltkomponenten von SRAM sind mittlerweile so teuer, dass man da substantiell Geld spart, wenn man deren Lebensdauer verdreifachen kann. Beispielsweise kostet eine XX1-Kassette um die Fr. 300.00 und eine XX1-Kette um die Fr.50.00. Eine Kette am Mountainbike hält geölt um die 2'000 Kilometer, eine Kassette in etwa das Doppelte. So gesehen kostet jeder Bikekilometer eines hochwertigen Mountainbikes bereits mehr als 10 Rappen nur für Ketten, Kassetten, Kettenblätter und Öle. Das ist nicht wenig!
Die erhöhte Lebensdauer der Komponenten wird dadurch erzielt, dass Wachs trocken ist und nichts daran kleben bleibt. Öl bindet Staub und Dreck, was sich dann zu einer Schmirgelpaste verbindet (das sieht und spürt man auch bei jeder Reinigung). Dieses Sand-/Öl-Gemisch dringt in die Kette ein und der dauernde Schleifeffekt sorgt für die Längung der Kette, was dann zu weiteren Problemen an Kassette und Kettenblatt führt.
Geld ist also eine Motivation, ein sauberer Antrieb ist aus meiner Sicht jedoch mindestens genau gleich viel wert. Denn: Wie viel Zeit verwendete ich in der Vergangenheit für die Pflege von Kette und Antrieb? Ich schätze mal, dass dies 50 Prozent des gesamten Wartungsaufwands war. Die Kette sauberwischen, Kassette und Schaltröllchen mühsam reinigen und die Zähne des Kettenblatts vom Öl-/Dreck-Gemisch befreien. Dann alles wieder einölen und das überschüssige Öl erneut abwischen. Braucht Zeit, Öl und viele, viele Putzlumpen. Und gerade seit es Kassetten und Ketten in Oilslick-Optik gibt, hat sich der Putzaufwand noch einmal erhöht (denn man will das Farbenspiel ja auch sehen). Und trotzdem hat man immer sofort schwarze Finger, sobald man eines der Antriebsteile berührt. Das ist einfach nervig.
Ich habe lange mit der Umstellung auf Wachs gezögert, denn das Ganze ist nicht so ganz einfach und schnell gemacht. Der Hauptpunkt ist: Das Wachs hält nur an fett- und ölfreien Teilen. Das heisst: Man muss alles fein säuberlich entfetten und das ist nicht ganz trivial. Es bietet sich also an, dass man dies dann ins Auge fasst, wenn man so oder so eine neue Kette oder Kassette verbauen will. Erschwerend kommt hinzu, dass ich mittlerweile vier Fahrräder habe und diese Umstellung von Öl auf Wachs also einiges an Zeit, Arbeit und auch Geld in Anspruch nehmen wird. Doch wie heisst es so schön? Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut... 😉
Das TREK Procaliber ist nahezu neu. Da kann ich die bestehenden Komponenten relativ leicht entfetten und dann weiter verwenden. Beim TREK 1120 zeigt die Kettenverschleisslehre, dass es der richtige Zeitpunkt ist um die Kette zu erneuern, bevor die Kassette Schaden davon trägt. Diese zwei Velos will ich also zuerst auf Wachs umstellen. Als nächstes soll dann das CANYON Neuron folgen und zum Schluss das Kish Strassenrad. Beim CANYON habe ich Ende des letzten Jahres die Kette erneuert, doch die Kassette ist auf den kleinen Ritzeln schon ziemlich verschlissen. Das kann ich wohl noch etwa 1'500 Kilometer fahren und dann beides gleichzeitig erneuern. Dann ist der richtige Zeitpunkt um auf Wachs zu wechseln.
So habe ich in den letzten Wochen also neue Ketten und ein Wachs-System gekauft. Kaum war alles da, begann der grosse Reinigungsärger... Jede Kette ist werkseitig durch ein Bad mit zähem Öl gelaufen. Dies vor allem um Korrosion zu vermeiden und dem Kunden das Gefühl zu geben, dass die Kette werkseitig vorgeschmiert wurde. Das Zeug ist derart klebrig, dass man schon mit gröberen Chemikalien zu Werke gehen muss um auch das Innere der Kette zu entfetten. Ich entscheide mich für Nitro-Verdünner und stelle schnell fest, das braucht Zeit. Eine Kette in ein altes Gurkenglas legen und mit Nitroverdünner bedecken. Gut schütteln und etwa 24 Stunden einwirken lassen. Dann erneut gut schütteln und die Kette herausnehmen und trockenreiben. Dann mit warmem Wasser, Spülmittel und Handbürste endreinigen. Den dreckigen Nitro-Verdünner durch einen Kaffeefilter in ein zweites Glas umfüllen/reinigen und für die nächste Kette wiederverwenden.
In der Zwischenzeit habe ich weitere Youtube-Videos zum Thema angeschaut und da wurde die Reinigung von Ketten (und anderen Fahrradteilen) mittels Ultraschall empfohlen. O.K. In einem Secondhand-Online-Portal fand ich dann auch gleich einen Ultraschallreiniger für Fr. 50.00. Wenn mir das das Hantieren mit Nitro-Verdünner erspart und ich so auch schneller vorwärtskomme, dann soll mir das diese Fr. 50.00 wert sein. Gekauft. Und siehe da: Drei Tage später stand das Teil schon vor der Haustüre. Darin habe ich dann all die Ketten, die ich zuvor mit Nitro-Verdünner geputzt habe erneut gebadet. Ich war doch ziemlich erstaunt, wie viel Dreck da noch herauskam. Gut so! So langsam geht es vorwärts.
Heute kam nun der grosse Tag der Umrüstung. Einerseits badete ich die neuen Ketten einzeln im Heisswachs und andererseits begann ich an beiden TREKs die bisherigen Komponenten zu entfernen. Kette runter ist easy. Dann jeweils das Hinterrad ausbauen und die Kassette demontieren. Dann am Schaltwerk den Käfig mit dem Umlenkrollen demontieren und zum Schluss das Kettenblatt von der Kurbel lösen. Alle diese Teil mal grob mit einem Lappen vorreinigen und dann mit heissem Wasser, Spülmittel, Bürste und Schwamm gründlich putzen. Alles sauber abtrocknen und wieder montieren.
Macht zwei Stunden pro Fahrrad. In der Zwischenzeit sind auch alle Ketten gewachst und getrocknet. Nun sind sie völlig steif und müssen wieder gängig/beweglich gemacht werden. Dafür hält man die Kette an beiden Enden und zieht sie über einen Besenstiel. Ein paar Mal hin und her, umdrehen und noch ein paar Mal hin und her. Mit einem Microfasertuch die aufgebrochenen Wachstücken abwischen, dann endlich kann die Kette wieder montiert werden. Natürlich läuft sie auf den ersten Kurbelumdrehungen noch etwas holprig, doch das legt sich schnell. Es wird gesagt, dass nach etwa 20 Kilometern sich alles wieder eingespielt hat und es dann richtig rund und leise läuft. Ich bin gespannt.
Alles in allem habe ich für die zwei Umrüstungen gegen 8 Stunden aufgewendet. Für jedes Fahrrad habe ich nun zwei gewachste Ketten. So kann ich regelmässig tauschen und habe zwischendrin Zeit um die gebrauchten Ketten wieder frisch zu wachsen. Der grosse Vorteil ist, dass ich nun nie mehr entfetten muss, denn solange kein Öl oder Fett drann kommt, gibt es auch nichts zu entfetten. Eine dreckige Wachs-Kette kann man mit heissem Wasser abspülen und durch einen Lappen ziehen. Fertig.
Ich bin gespannt, wie das Ganze funktionieren wird und welche Erfahrungen ich mit Kettenwachs mache. Heute Nachmittag hat es geregnet und deshalb konnte ich keine Probefahrt machen. Doch morgen Samstag kann ich das bestimmt nachholen. Und nächste Woche möchte ich 3x mit dem TREK 1120 zum Morgenjob fahren und danach weiss ich mehr.
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Kommentare
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Er.staunt am :
Hm! Sehr spannend.
Ich finde das hört sich einigermaßen erstaunlich an, ...dass Wachs die Haltbarkeit so drastisch verlängern soll. Das müsste doch, so wie beim Besenstiel, sehr schnell abbröckeln, so dass dann an den entscheidenden Stellen, wo die Glieder die Ritzel berühren, eben auch ganz schnell nix mehr davon zu finden ist, oder...? 🙄 Aufklärung, bitte! 😲
Beat Post author am :
Wie immer im Leben, ist es komplizierter als man auf Anhieb denkt und deshalb nur schwer in wenigen Worten zu erklären. Hier der Versuch:
Die Haltbarkeit aller Fahrrad-Antriebskomponenten hängt fast ausschliesslich von der Kette und deren Länge ab. Würde sich eine Fahrradkette nicht längen, würden Kettenblätter (vorne an der Kurbel) und Kassetten (hinten an der Radnabe) nahezu ewig halten.
Die Schmierung zwischen Kette und Kettenblätter (vorne) sowie zwischen Kette und Kassette (hinten) kann vernachlässigt werden, da dort fast keine Reibung entsteht. Die Rollen der Kette legen sich in die Öffnungen zwischen den Zähnen und bleiben in dieser Position, bis sie das Zahnrad wieder verlassen. Die Drehung um das Kettenblatt oder das Ritzel geschieht in der Kette, nämlich zwischen den Bolzen, den Innenlaschen und den Rollen. (Den Aufbau einer Fahrradkette ist hier sehr gut dokumentiert: https://fahrrad.news/glossar/fahrradkette__2122.php).
Eine äusserliche Kettenschmierung dient also primär der Geräuschreduzierung. Viel wichtiger ist die Schmierung in der Kette, zwischen den Bolzen, Rollen, Innen- und Aussenlaschen, denn da passiert die ganze Bewegung. Und hier kommt nun der Unterschied von Öl zu Wachs zum Tragen.
Öl (oder auch Fett) bindet sofort Staub und Dreck, welches beim Fahren auf der Strasse oder im Gelände vom Vorderrad aufgewirbelt wird. Staub und Sand verbindet sich also mit dem Öl und wird durch die dauernde Bewegung in die Kette hineingetragen (vor allem bei Schaltvorgängen und beim Schräglauf der Kette). Öl, Staub, Sand und Erdpartikel ergeben eine super fiese Schleifpaste, die dann langsam Material an den Bolzen und den Rollen abträgt und somit längt sich eben die Kette. Das heisst: Die Abstände von Bolzen zu Bolzen werden minim grösser und somit stimmt der Rollenabstand der Kette nicht mehr mit den Ausfräsungen an den Kettenblättern und den Ritzeln überein. Da nun aber auch aussen dieses Öl/Staub/Sand-Gemisch klebt, schmirgelt die sich längende Kette die einzelnen Zähne der Zahnräder langsam aber sicher immer grösser.
Für die Haltbarkeit von Kettenblätter und Ritzelpaketen ist es also entscheidend, dass man die Kette wechselt, solange sie noch nicht zu lang ist. Denn wenn man zu lange wartet, dann wird eine neue Kette nicht mehr sauber über die Zahnräder rollen, weil nun die Zahnabstände grösser geworden sind. In den kleinsten Ritzeln hinten wird dann eine neue Kette überspringen und an den Kettenblättern vorne wird sie an den Haifischzähnen hängenbleiben. Und weil eben hochwertige Kettenblätter und vor allem 12-fach Kassetten ziemlich teuer sind, lohnt es sich die Kettenlängung stets zu messen und im Auge zu behalten.
Und nun endlich kommen wir zu der Wachsgeschichte.
Eine zuvor vollständig entfettete Kette wird in flüssigem Wachs eingekocht und danach zum Trocknen aufgehängt. Nun ist das Innere der Kette, also alle Zwischenräume zwischen Bolzen, Rollen, Innen- und Aussenlaschen mit Wachs ausgefüllt. Wachs trocknet vollständig und bindet weder Staub noch Sand noch Erde. Das heisst: Es bleibt fast nichts an der Kette haften und somit wird auch nichts in die Kette hineingetragen, was ein Schleifen verursachen könnte. Additive, die dem Wachs zugefügt werden, unterstützen die Schmierung und weil eine Fahrradkette wohl auch nie heisser als die Umgebungstemperatur wird, verflüchtigt sich das Wachs auch nicht so schnell. Der heisse Wachs haftet natürlich auch aussen an den Rollen und den Kettenlaschen und das reicht um die Reibung zwischen Kette und Kettenblatt rsp. Ritzel zu minimieren.
Natürlich ist die Arbeit mit einem einmaligen Ketten-Wachsbad nicht getan. Man sieht ja auf dem zweiten Foto vom 01.02.2025, dass sich zumindest aussen der Wachs abreibt und irgendwann nehmen dadurch die Geräusche (vor allem beim Schalten) zu. Dann kann man mit Flüssigwachs nachwachsen (ähnlich wie man mit Öl eine Kette ölt). Es empfielt sich jedoch, so nach 800 bis 1'000 Kilometern die Kette erneut in das heisse Wachsbad einzulegen und so die Schutz- und Schmierschicht zu erneuern (davor kann man eine gewachste Kette einfach unter warmem Wasser reinigen). Weil Reinigen und Neu-wachsen aber nicht in 5 Minuten erledigt ist, habe ich nun pro Antrieb zwei Ketten, die ich zwischen den Wechselintervallen wieder reinige/wachse. So kann ich in zwei, drei Minuten einfach die Ketten tauschen.
Langjährige Wachsbenutzer sagen, dass der Aufwand insgesamt nicht höher ist als bei der Öl-Schmierung. Dass man aber eben von der bedeutend längeren Lebensdauer aller Antriebskomponenten profitiert und (aus meiner Sicht auch sehr wichtig): Man nicht mehr immer mit öligen und dreckigen Komponenten zu tun hat. Mal sehen. Ich werde 2025 nun mit Wachs bestreiten und dann kann ich Ende Jahr wirklich ein Fazit ziehen, ob sich die Mühe lohnt.
Zum Schluss kann man sich ja fragen, weshalb sich Kettenwachs nicht auf breiter Front durchgesetzt hat, wenn es nahezu nur Vorteile bietet. Meine Antwort: Weil man mit Öl viel mehr Ketten, Kassetten und Kettenblätter (und Kettenöle) verkaufen kann 😉. Und: Kettenöl hat Tradition und ist simpel in der Anwendung. Denn >75 Prozent aller Radfahrer reinigen ihre Kette nie, sondern sie schmieren nur wieder etwas Öl auf die Kette, wenn sie zu quitschen oder zu knarzen beginnt. Und nochmal geschätzte >75 Pozent aller Fahrräder werden gar nicht so oft gefahren, dass Verschleiss von Ketten, Kettenblättern und Kassetten wirklich auffällig wird.
Das, was ich hier beschreibe, ist ein Luxusproblem einer kleinen Gruppe von Rad-Nerds, die sich die teuersten Komponenten ans Rad schrauben und dann trotzdem entsetzt sind, was das im Dauerbetrieb alles kostet 😏.
Alt.modisch am :
Uff, mein Staunen neigt sich der Verblüffung, und mein naives Verständnis ein konsequenten Verpuffung!
Das ist also des Pudels Kern! 🐩 Völlig anders als gedacht. 🤭
Jetzt ahne ich warum mir im Herbst die Kette riß 🦈und warum ich nun so oft das Durchrutschen habe... (leider sind meine vorderen Kettenblätter wohl auch nur im Ganzen mit der Tretkurbel wechselbar). (Ich fand schon den neuen Mantel u. Schlauch und die neue Kette ziemlich teuer.)
Ich danke dir für diese ausführlichste Erklärung und ziehe mich verschreckt in mein Schneckenhaus zurück, denn Zielgruppe kann und will ich mit meinem "Oldtimer" nicht sein.🐌 Denn es müsste so ziemlich alles runderneuert werden...