21 Tage später
Heute vor drei Wochen wurde mir das künstliche Hüftgelenk eingesetzt. In dieser Zeit habe ich grosse Fortschritte gemacht, die ich selbst leider nur wenig zu würdigen weiss, weil mich seither ständig irgendwelche Schmerzen plagen (was ja eigentlich ganz normal ist). Da hilft es vermutlich den Fokus mal etwas zu weiten und sich selbst die Fortschritte vor Augen zu führen.
Die ersten Tage fand ich insofern verwunderlich, dass man schon am Tag 1 nach der OP aufgefordert wird aufzustehen und einem beigebracht wird, wie man sich mit Gehstöcken bewegt, ohne darüberzustolpern. Natürlich ist dabei die Belastung nahe Null. Höchstens beim Treppensteigen belastet man das operierte Bein minimal.Von Beginn weg verspürte ich einen dumpfen Schmerz an der operierten Stelle. Ich gehe davon aus, dass dieser Schmerz am Übergang des Oberschenkelknochens zu dem eingesetzten "Stem" entstand. Auffallend war natürlich auch die starke Beinschwellung, die vor allem jeweils gegen Abend ziemlich schmerzhaft wurde. Fünf Tage nach der Operation konnte ich schon nach Hause, was mich natürlich sehr freute. Ich stellte dann einfach fest, wie mühsam man sich mit Stöcken in einer zwei Etagen Wohnung bewegt.
Meine Frau kann nicht kochen. Das gemeinsame Abendessen habe ich schon immer zubereitet und das sollte sich auch nicht ändern. Schon beim ersten Versuch stellte ich fest, dass dies mit Gehstöcken ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wie soll man da etwas halten, etwas vom Kühlschrank zum Herd tragen oder eine Pfanne vom Herd nehmen? Das geht nicht. Also legte ich die Stöcke zur Seite und humpelte in der Küche herum. Dabei stellte ich fest, dass die Schmerzen gar nicht sonderlich zunehmen, wenn man das Bein stärker belastet. Das machte mir Mut und schon bald blieben die Gehstöcke unbenutzt in der Ecke stehen. In der zweiten Woche war das Hauptproblem immer noch die Beinschwellung und der seitliche Druckschmerz auf dem Gelenk.Hinzu kamen Rückenschmerzen, weil ich halt nur in Rückenlage schlafen konnte. Ach ja, da war noch was. Als ich zum ersten Physiotermin mit dem Fahrrad hingefahren bin, kassierte ich vom Physiotherapeuten einen heftigen Anschiss. Das sei völlig verantwortungslos und überhaupt würde er mich lieber an Gehstöcken als humpelnd sehen...
Dann kam der Arzttermin zur Entfernung der Klammern über der Operationsnaht. Da ich mich an diesem Tag gut und stark fühlte, setzten wir die bisherigen Medikamente weitestgehend ab. Rückblickend war das keine Spitzenidee, denn es folgte nun die wohl schmerzhafteste Woche. Es begann mit einer Art Phantomschmerz, direkt an der Narbe. Ein starkes Brennen und Ziehen, dazu der dumpfe Druckschmerz auf dem Gelenk, das war echt grenzwertig. Vor dem Einschlafen musste ich eine Schmerztablette nehmen, sonst war an Schlaf nicht zu denken. Wie vom Physiotherapeuten empfohlen, begann ich Spaziergänge zu unternehmen. Diese gestalteten sich jedoch sehr anstrengend und zusätzlich bekam ich nun Schmerzen in der Leiste und am Knie. Immerhin, die Beinschwellung nahm zusehends ab. Die Physiotermine wurden ebenfalls anstrengender. Zu Beginn ging es vorwiegend um Mobilisation, nun kamen Kräftigungsübungen dazu und natürlich wurde ich mit heftigem Muskelkater gesegnet. Immerhin: Gestern Freitag war der Therapeut nun der Meinung, dass ich langsam auch wieder Radfahren könne.
Und so sind wir nun beim heutigen Tag. Das Wetter war wieder herrlich sonnig und am Mittag sollte es über 25 Grad warm werden. Ich entschied mich deshalb schon kurz vor zehn Uhr auf das Rad zu steigen und eine lockere Runde zu fahren. Ich wollte wieder einmal den Flughafen umrunden, denn das ist eine der flachsten Strecken, die ich überhaupt fahren kann. Also Bikekleider anziehen, Sonnenbrille aufsetzen und losfahren! Herrlich! Ich geniesse es, obwohl mein Hirn immer im Überwachungsmodus ist. Steht das Bein gerade über dem Pedal? Keine Ausweichbewegungen mit dem Knie bei der Rotation? Nehmen die Schmerzen zu? Man überprüft sich dauernd...
Ich bin etwas über zwei Stunden in Bewegung, lege 35 Kilometer zurück und überwinde 220 Höhenmeter. Zweimal mache ich eine Kaffeepause und gehe dabei ein paar Schritte zum Ausgleich. Grundsätzlich funktioniert das recht gut. Natürlich kann ich mit dem operierten Bein kaum Kraft aufs Pedal geben, weshalb ich die flachste aller erdenklichen Varianten wähle. Es tut vor allem meiner Seele gut. Wär hätte das gedacht, dass ich so rasch wieder mit dem Fahrrad unterwegs sein kann.
Abschliessend vielleicht noch kurz die aktuellen Problemfelder. Wie füllt man seinen Tag, wenn man nicht zu viel sitzen soll, wenn man nicht zu viel gehen soll und wenn man kaum mehr weiss, wie man schmerzfrei liegen kann? Und Zweitens: Wie baut man das Vertrauen in den eigenen Körper wieder auf? Zeitweise verschiebe ich sitzend meinen rechten Fuss immer noch in dem ich mit beiden Händen unter das Knie fasse, das Bein anhebe und den Fuss versetze. Obwohl dies heute -ohne Unterstützung- wieder fast schmerzfrei möglich ist, habe ich immer noch das Bild/Gefühl des halbtoten Beins in mir, welches keine kontrollierte Bewegung ausführen kann. Ich merke auch, dass ich mehr Schutzbewegungen mache als es wirklich nötig wäre. Das Bein kann schon mehr als der Kopf ihm zutraut. Die mentale Komponente ist eine schwierige Angelegenheit, die vermutlich noch mehrere Wochen braucht, bis der Kopf nicht dauernd überprüft, ob alles richtig funktioniert.
Und zum Schluss: Ja, ich bin erstaunt und auch erleichtert, wie gut es mir nur drei Wochen nach dieser Operation geht. Ich denke, dass wenn keine Komplikationen auftreten, dann sollte ich in weiteren drei Wochen wieder ziemlich hergestellt sein.