automobiler Wahnsinn
Es war den ganzen Tag regnerisch und trotzdem stand eine Buchung für eine 60 Minuten Stadtrundfahrt in meinem Kalender. Die Frage war also, wie komme ich halbwegs vernünftig in die Stadt. Bus-Zug-Bus wäre zwar trocken, doch etwas aufwändig und zeitintensiv. Mit dem Velo halt kleidungsmässig schwierig (wie viel trockene Kleidung muss man denn mitnehmen, damit man sich nicht erkältet?). Mit dem Motorrad nicht lässig aber machbar. Oder aber: Ich nehme Karins Auto, da sie ja aktuell in den Ferien ist und ich so Zugriff darauf habe. Das steht hier in der Garage und in der Innenstadt kann ich das Auto auch problemlos in der Rikscha-Garage parken. Passt also!
Mein Termin startet um 10:00 Uhr. Von der Rikscha-Garage bis zum Treffpunkt brauche ich 15 Minuten. Mit dem Auto in die Stadt wohl etwas mehr als 30 Minuten. Also sollte es locker reichen, wenn ich um 09:00 Uhr losfahre. Hmmm... könnte ja noch der Rest der Morgen-Rushhour unterwegs sein. Zudem muss ich mich auch noch um die Hochzeitsrikscha kümmern, damit diese für einen Einsatz am Samstag bereit ist. Es kann also nicht schaden etwas früher in der Stadt zu sein und deshalb entschliesse ich mich, schon um 08:30 Uhr loszufahren.
Von Tür zu Tür sind es 18 Kilometer. Mit dem Velo schaffe ich das in 55 Minuten. Mit dem Motorrad meist in 25 Minuten. Heute brauchte ich mit dem Auto eine geschlagene Stunde!
Und wohlverstanden: Es gab unterwegs weder einen Unfall noch eine grössere Baustelle. Es war einfach der ganz normale Morgenwahnsinn auf den Strassen rund um Zürich.
Es ist einfach irre, um wie viel der automobile Individualverkehr in den letzten 20 Jahren zugenommen hat. In der kleinräumigen Schweiz gibt es keine "Freude am Fahren" mehr, denn man fährt immer nur einem anderen Auto hinterher. Und oft muss man schon froh sein, wenn man überhaupt fährt und nicht nur stop-and-go vorwärtsschleicht. Es ist nervenaufreibend und man wünscht sich echt autonom fahrende Autos, damit man wenigstens Zeitung lesen oder sich sonst irgendwie von diesem Wahnsinn ablenken könnte.
Vor 14 Jahren habe ich mein letztes Auto verkauft und seither sitze ich wohl von Jahr zu Jahr immer weniger hinter einem Steuerrad. Ich war noch nie Auto-affin und sehe darin eigentlich nur den praktischen Nutzen, dass man mit einem Auto möglichst unabhängig, schnell und trockenen Hauptes von A nach B kommt. Wenn dies nun jedoch immer schwieriger und zeitraubender wird, weil alle anderen das Gleiche wollen, dann macht das einfach keinen Sinn mehr. Zumal ein Auto schlicht ein Geldfresser ist.
Morgen Freitag habe ich um die Mittagszeit wieder eine Buchung. Und ich werde garantiert mit dem Velo in die Stadt fahren. Selbst wenn es wieder regnen sollte. Da kann ich immer fahren und ich muss mich auch kaum über andere Verkehrsteilnehmer aufregen. Es ist günstig und erst noch gesund. Viel win-winniger kann es gar nicht sein.