Nachdem ich letzte Woche fast jeden Tag eine Rikscha-Buchung im Kalender stehen hatte, gestaltet sich diese Woche -dank des regnerischen Wetters- angenehm ruhig. Meine Hüfte dankt es, dass die Belastung etwas geringer ist und so der Heilungsverlauf nicht unnötig verzögert wird.
Montag bis Mittwoch stand der Morgenjob auf dem Programm und nachmittags zweimal Physio. Dabei wurde der Bereich um die Operationsnarbe geschröpft um die verschiedenen Hautschichten etwas zu lösen und besser zu durchbluten. Das war in der Anwendung zwar schmerzhaft, bringt aber echte Fortschritte, denn der Druckschmerz auf der Narbe konnte dadurch spürbar reduziert werden.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat sich Jürg ein neues Motorrad gekauft und nur wenige Wochen später wechselte ich von der 10-jährigen KTM 690R Enduro auf eine fast neue KTM 690R SMC. Dieses Motorrad bereitet mir seither viel Freude und seit diesen fast zwei Jahren sprachen Jürg und ich davon, dass wir mal eine gemeinsame Motorradausfahrt unternehmen wollen. Aber wie es denn so ist... Wir fuhren lieber Mountainbike und so ist lange Zeit nichts aus dieser Idee geworden. Für heute hatte der Wetterbericht mal kein Regen vorhergesagt und so verabredeten wir uns endlich für eine gemeinsame Tour.
Unser Ziel war Stein am Rhein, wo Jürg vor über zwei Jahren ein altes Haus direkt am Rheinufer kaufte und es in der Zwischenzeit vollständig und aufwändig renovierte. Seit etwa einem Monat ist es nun fertiggestellt und natürlich wollte ich mal sehen, was das Schönes entstanden ist. Über ruhige Landstrassen braucht man etwa 45 Minuten bis dahin. Zum Start trafen wir uns in einer nahegelegenen Bäckerei für einen ersten Kaffee.
Es hat wirklich Spass gemacht und ich war froh, dass Jürg meistens vorne fuhr, denn ich wäre wohl immer viel zu schnell gefahren (um nicht zu sagen: gerast). Das hat sich umso mehr bezahlt gemacht, als wir an einer mobilen Radarkontrolle vorbeigekommen sind und somit ohne Busse davonkamen 😉. Die Hausbesichtigung hat mir dann sehr gut gefallen. Mit viel Liebe wurde das geschützte Haus (Heimatschutz) quasi komplett neu aufgebaut. Alte historische Details wechselten sich mit moderner Baukunst wunderbar ab und der freie Blick über den Rhein, in die Altstadt von Stein am Rhein, ist natürlich sensationell und unbezahlbar. Ich bin gespannt, wie lange Jürg mit seiner Frau dieses Haus als Wochenend- und Ferienhaus nutzt oder ob sie schon bald vollständig dorthin ziehen. Man wird sehen...
Wir sind dann zu Fuss in die überaus bezaubernde Altstadt geschlendert und haben auf dem zentralen Platz, bei einer Bäckerei, ein kleines Mittagessen zu uns genommen. Die Szenerie ist unglaublich malerisch und touristisch, man fühlt sich gleich wie in den Ferien. Das bietet einen extrem hohen Erholungswert. Wir besprachen dabei den Rückweg und entschieden uns dafür einem alten Freund einen Spontanbesuch abzustatten.
Walter war vor geschätzten 35 Jahren mein Vorgesetzter. Er war Abteilungsleiter von einem wirklich tollen Team und wir unternahmen öfters mal nach Feierabend etwas gemeinsam. In bester Erinnerung sind mir die Rotweinabende bei ihm zuhause geblieben. Wir haben da stundenlang philosophiert, Brot, Käse und Trockenfleisch gegessen und eben dazu Rotwein getrunken. Zu dieser Zeit interessierte sich Walter für englische Oldtimer-Motorräder und wie es der Zufall so wollte, konnte ich damals für wenig Geld einen Scheunenfund ergattern. Es war eine alte BSA, noch mit Tankschaltung, völlig vergammelt, doch noch ziemlich komplett. Ich habe damals Fr. 1'000 dafür bezahlt und nur wenige Wochen später, verkaufte ich das Teil an Walter für Fr.1'100 (ich war jung und brauchte das Geld) 😉.
Das Leben verläuft selten gradlinig, es kommen andere Projekte dazwischen, und so hat es nun um die 30 Jahre gedauert, bis Walter die BSA vollständig restauriert hatte. In den nächsten Monaten will er sie vom Strassenverkehrsamt prüfen und zum Strassenverkehr zulassen. Es war also ein guter Zeitpunkt um mal vorbei zu schauen und das Werk zu begutachten.
Walter war dann auch prompt zuhause, hatte Zeit und freute sich über unseren Besuch. Wir sind mit seiner Frau auf dem Gartensitzplatz gesessen und haben über alte Zeiten gesprochen. Wir haben uns lange Zeit aus den Augen verloren und so gab es natürlich reichlich Gesprächsstoff. Wir plauderten bestimmt über zwei Stunden, bis wir dann endlich in seinem Bastelraum die BSA bewundern konnten. Was soll ich sagen. Das Motorrad ist perfekt! Vermutlich schöner und besser als neu (vor geschätzten 100 Jahren). Er hat unglaublich viel Energie, Enthusiasmus und Zeit investiert. Viele Teile waren nicht mehr verfügbar und somit musste er sie selber nachbauen. Er hat die Schutzbleche selber nachgebaut, die Auspuffanlage und viele andere Teile mehr. Er ging soweit, dass er sogar Schrauben aus Chromstahl selber herstellte, weil es vergleichbare Schrauben heute gar nicht mehr gibt. Wo man auch hinsah, überall gab es wieder ein Detail zu bestaunen und er erzählte die Geschichte dazu. Herrlich!
So verging der Tag wie im Flug. War gefüllt mit einer tollen Motorradausfahrt, einem renovierten Haus, einem restaurierten Motorrad und lieben Menschen, die sich mit Herzblut für alte Kulturgüter interessieren und auch gewillt sind, dafür viel Arbeit auf sich zu nehmen.... 🙏