Freitag, 22. Juli 2011
(39) Traumtour am Monte Pollino
Ich war vorbereitet auf das magere Frühstück und bin deshalb schon mit einem Jogurt, etwas Milch und ein paar Früchten bewaffnet zum Frühstück erschienen. Zusammen mit dem Zwieback ergab das ein leckeres Müesli und mit dem feinen Cappuccino ein gutes Frühstück. An der Stelle vielleicht mal eine kleine Korrektur betreffend den Brioche, die hier fast immer zum Frühstück serviert werden. Wenn sie frisch und warm sind, sind sie meist ganz lecker. Es gibt sie Nature, mit Vanille-, Schokoladen- oder Aprikosencreme gefüllt und die habe ich alle wirklich gerne gekriegt. Der Graus sind aber die in einer Plastikfolie eingeschweissten Dinger, die vermutlich jahrelang haltbar und meiner Ansicht nach schlicht ungeniessbar sind. Einfach nur pampig, klebrig und lieblos. Von der Sorte gab es heute.
Das Wetter war aber wie gemacht für einen tollen Velotag, wenn man mal vom immer noch heftigen Wind absieht. Die Sonne schien an einem wolkenlosen Himmel und es war um die 25 Grad warm. Mein Start lag auf 400 Metern über Meer und ich wusste, dass mir ein paar längere Steigungen bevorstanden, denn meine Strecke führte nahe am Monte Pollino (2'436 m.ü.m.) vorbei, der diesem Nationalpark seinen Namen gab. Weil auch "Francavilla sul Sinni" ein Hügeldorf ist, ging es zuerst einmal etwas bergrunter, was ideal war um einzurollen und die Beine etwas in Schwung zu bringen, denn schon bald begann die erste Steigung hach nach "San Severino" auf 920 Metern über Meer.
Die Strecke führte herrlich durch schöne Buchenwälder, was erstens viel Schatten gab und zweitens den Wind doch ziemlich gut abhielt. Nach nur 17 gefahrenen Kilometern war ich dann in San Severino und meine gestrige Befürchtung, es gäbe da kein Hotel, stellte sich als falsch heraus. Mitten im Nationalpark gelegen, gab es mehrere kleine Hotels, Albergos und Agriturismos. Mitten im Dorfkern machte ich eine kurze Kaffeepause und erfreute mich der schönen Umgebung.
Als ich weiter fuhr, war ich mir lange Zeit nicht sicher, ob die Strasse nicht plötzlich irgendwo endet, denn ich sah bestimmt eine halbe Stunde lang keinen Menschen und kein Auto. Nur Natur pur und ich. Herrlich. Ich hatte keine Ahnung wie weit hoch die Strecke führt und schaltete deshalb öfters aufs kleine Kettenblatt um mich ja nicht zu verausgaben. Ich machte auch regelmässige Trinkpausen, doch so auf etwa 1´400 Metern über Meer merkte ich doch, dass mir langsam die Kraft ausgeht und ich etwas essen sollte. Das war an sich kein Problem, denn ich hatte die Taschen voller Lebensmittel.
Ich suchte mir gerade eine passende Sitzgelegenheit am Strassenrand, als ich im Display meines GPS ein kleines Häuschen auftauchen sah, was auf ein Rifugio hindeutet und wahrhaftig, schon nach ein paar Kurven, auf 1´430 Meter über Meer kam ich an diesem herzigen Rifugio vorbei. Ich schaute auf die Uhr, 11:50 Uhr, hervorragend, denn da gibt es bestimmt etwas leckeres zu beissen. Vor dem Eingang stand dann auch schön eine Tafel, die verschiedene Gerichte versprach und ich freute mich schon auf eine leckere Portion Pasta. Tja, da hatte ich mich wohl zu früh gefreut, respektive ich war zu früh da, denn der Mann hinter der Theke gab mir zu verstehen, dass es warmes Essen nur zwischen 12:30 Uhr und 13:30 Uhr gäbe. Irgendwie musste ich schmunzeln, die Köchin stand draussen am rauchen, doch vermutlich verbietet es ihr die Gewerkschaft länger als eine Stunde über Mittag zu arbeiten. Auf der Theke sah ich jedoch einen leckeren Sträusselkuchen und zusammen mit einem Pfirsich aus meiner Tasche reichte mir das auch. Sollen sie doch auf andere Gäste warten (ausser mir war nämlich niemand zu sehen).
Gut gelaunt fuhr ich weiter und fragte mich langsam, wie weit es denn noch hoch geht und ob ich meinen bisherigen Höhenrekord in Italien, nahe des Gran Sasso, von 1´730 Metern über Meer, noch knacken werde. Dem war aber nicht so, es fehlten 90 Höhenmeter, denn auf 1´640 Metern über Meer war der höchste Punkt erreicht. Anderes als bei vielen Schweizer Bergen führt die Strasse danach aber nicht nur einfach bergab. Es folgt eine Abfahrt von 100 Höhenmetern, dann geht es wieder 50 hoch, dann wieder 100 runter und wieder 80 hoch.
Endlich lichtet sich der Wald und eigentlich denke ich, dass ich schon bald das Mittelmeer sehen sollte, doch da täuschte ich mich gewaltig, denn ich sah lediglich an die nächste Bergkette. Ups, sollte heutiges mein Ziel, bis ans Mittelmeer zu kommen doch nicht realistisch sein? Endlich führte die Strasse bergab und auf ziemlich genau 1´000 Metern über Meer kam ich in eine Talsenke, wo die Autobahn von Salerno nach Kalabrien führt. Ich konsultierte das GPS und die violette Linie zeigte ziemlich gerade auf die nächsten Berge vor mir. Die Uhr zeigte erst kurz vor zwei Uhr mittags. Am Himmel zeigten sich ein paar Wolken, doch alles war noch ideal um weiter zu fahren.
Ich plante meinen nächsten Essenshalt auf 1´200 Metern über Meer, doch so hoch bin ich dann gar nicht mehr gekommen. Meine Strecke führte nämlich sehr gekonnt zwischen den Bergen hindurch in Richtung Meer. Ich musste natürlich trotzdem Kohlenhydrate nachwerfen und hätte dies gerne mit Blick auf Meer getan, doch von Meer war noch keine Spur zu sehen. Kaum wieder auf dem Velo und nur eine leichte Kuppe später war es dann aber soweit. Vor Freude musste ich ein Selbstauslöserfoto machen (was leider total unscharf wurde).
Danach folgte eine traumhafte Abfahrt, die wohl die Scheibenbremsen zum glühen brachte und wo ich froh war bergrunter und nicht berghoch zu fahren. In einer Haarnadelkurve sah ich dann weit unter mir den Ort "Orsomarso". Ein hammermässiger Anblick. Luftlinie wohl kaum einen Kilometer entfernt, doch 500 Höhenmeter tiefer unten. Am Ortseingang angekommen war ich nur noch knapp 200 Meter über Meer und hier war es dann wieder richtig warm. Auf den leicht abfallenden 15 Kilometer bis ans Meer störte mich noch nicht einmal der Gegenwind.
Bei "Scalea" komme ich dann an die Küste und in den vollen Badetourismustrubel. Was für ein Gegensatz zu der ruhigen Bergwelt, wo ich herkam. Ich war schon ziemlich müde und die 31° Grad die hier angezeigt wurden machten es mir einfach, rasch ein Hotel zu suchen. Das ist an und für sich kein Problem, denn entlang der Küstenstrasse reiht sich fast Hotel an Hotel. Nur, die Preise sind hier doch deutlich teurer als die Tage zuvor. Ich habe in fünf oder sechs Hotels nachgefragt. Alle hatten noch Zimmer frei, doch unter 65 Euro war Keines dabei, was mir alles irgendwie zu teuer war.
Dann kam ich zum Hotel Genova (im Bild links ganz unten, der weisse Gebäudekomplex), wo die Vermieterin 60 Euro wollte und als ich etwas die Nase rümpfte sagte sie, dass sie mir das Zimmer für 50 Euro gäbe, wenn ich in ihrer Pizzeria zu Abend esse und vor 10 Uhr abreise. Eine kluge Geschäftsfrau. Damit war ich einverstanden. Das Zimmer ist klimatisiert und voll designermässig eingerichtet, Im Badezimmer gibt es blaues Licht in der grossen Dusche und eine Regenwasserbrause. Das fand ich noch witzig.
Nach der üblichen Dusch- und Waschprozedur besichtigte ich zu Fuss noch etwas den Ort Scalea, bestiegt den einstigen Bewehrungsturm und kaufte in einem Lebensmittelgeschäft wieder Getränke, Milchprodukte und Früchte ein, damit ich morgen wieder für alle Eventualitäten gerüstet bin. Das GPS sagt: 99 km., 5:46 Std., 1´930 Hm.
Ah ja, fast hätte ich´s vergessen. Rein geografisch ist Scalea der südlichste Punkt meiner Sommerreise. Von nun an bewege ich mich also wieder in Richtung Norden, in Richtung Florenz und nach Hause. Das ist auch ein gutes Gefühl.
Trackbacks
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| Weiter: "Kirschen essen"
so fein! Es gibt diese Redewendung: "Mit dem ist nicht gut Kirschen essen" was in etwa meint, dass einem die andere Person nicht wohlgesonnen ist und ihn besser auf Distanz hält. Das hat aber so rein gar nichts mit dem heutigen Tag zu tun. 😉. […]
Kommentare
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leysin am :
Ist das Zelt überhaupt nötig oder wird es so wie AUF dem PILGER Weg nach Santiago de C. wo mann sich vom Ballast (auch GEISTIG) irgend wann mal in einem Hotel Zimmer vergessen. Ein paar Kilos sind so schon weg und ein MOTIVATION's Schub. LOSLASSEN MUSS ICH NOCH LERNEN. Ich sammle immer noch ...
leysin am :
wieder bewusst gemacht, dass dein Unterfangen doch auch Mut braucht. Ich fahre im Auto manchmal solche Strecken
IM MIETWAGEN und ganz entspannt bin ich
leider nur manchmal. Das ist vielleicht
eine Schweizerische Phobie ... Was mache ICH wenn...?
Sattelsenker Beat am :
Schön warm und sonnig scheint es bei Dir zu sein. Geniess es! Bei uns ist es bereits herbstlich und wir warten auf die Rückkehr des Sommers.
Wirklich tolle Bilder; War mir gar nicht bewusst, dass Italien auch im Süden so hügelig ist!
Schon krass während ich die Transfer Pricing Dokumentation meiner Firma im Schuss halte, bist Du immer besser im Schuss und machst locker so an die 2000 Höhenmeter.
Toll, keep on going
Beat
Adolf + Elisabeth Hofer am :
Die Pilates Kollegen verfolgen mit Interesse Deine Velotour durch Italien.
Du machst uns jeweils "gluschtig" auf mehr von Deinen Erlebnissen.
Wie bringst Du Deine Daten jeweils auf das Internet. Du übernachtest ja nicht gerade jeden Tag in einem grossen Hotel mit Internet Raum.
Wir wünschen Dir eine gute Weiterfahrt und sind gespannt was Du noch alles zu berichten weisst.
Gute Fahrt Dolf + Elisabeth
Peter am :
es ist schön zu lesen, dass Du Dich noch immer motivieren magst. Mit dem nach Norden fahren würde ich mir Zeit lassen - oder bring doch bitte das Wetter mit, gerne auch den Wind! Der würde vielleicht den letzte Woche bis auf 1800mNN gefallenen Schnee schmelzen lassen und unsere trails wieder trocken fönen.
Gute Fahrt und viele Grüsse
Peter
leysin am :
kriege ICH EIN WENIG angst um die Abenteurliche REISE. HOFFENTLICH GEHT ES WITHIN GUT ...