Mittwoch, 1. April 2020
Statistiken, Grafiken und Prognosen
Irgendwie passt das Thema dieses Beitrags recht gut zum heutigen Tag. 😏 Leider geht es hier aber nicht um einen April-Scherz.
Ganz generell, aber vor allem in ausserordentlichen Zeiten, versuchen wir Sachverhalte und Dinge mit Zahlen zu unterfüttern und zu verdeutlichen. Daraus basteln wir dann zur besseren Verständlichkeit Grafiken und errechnen Prognosen. Dagegen ist an und für sich nichts einzuwenden, doch eine gewisse Skepsis darf man dabei durchaus an den Tag legen. Nicht umsonst gibt es das Bonmot "glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast." Viel zu oft werden Statistiken und Grafiken nur aus einem einzigen Grund erstellt: Um die vorher schon feststehende Meinung zu untermauern.
Heute bin ich in diesem Artikel über die oben dargestellte Grafik gestolpert. Die finde ich ja mal echt interessant und aussagekräftig. Wenn nämlich bisher von "Corona-Toten" gesprochen wurde blieb völlig offen, ob diese Personen zusätzlich zur normalen Sterblichkeit hinzukommen, oder ob sie ein Teil davon sind. Hier zeigt nun die Grafik recht anschaulich, dass im März die Sterblichkeit (infolge der Corona-Opfer) steil ansteigt und nun den statistisch zu erwartenden Bereich verlässt (und wohl auch noch weiter ansteigt). Die Grafik zeigt aber auch, dass dies zu dieser Jahreszeit nicht wirklich aussergewöhnlich ist. In den dargestellten letzten sechs Jahren war das wegen starken Grippewellen mehrmals der Fall. Soweit zur Ausgangslage. Die Grafik zeigt also: Ab jetzt wird's abnormal und es wird ausserordentlich viel gestorben...
Bei genauerem Betrachten dieser Grafik mache ich folgende Überlegung: O.K. Anscheinend sterben in der Schweiz pro Woche etwa 200 Personen unter 65 Jahren und etwa 1'200 Personen über 65 Jahren. Das ist schon eher grosszügig abgelesen. Gesamthaft sterben also jede Woche 1'400 Personen, das macht bei 52 Wochen 72'800 Sterbefälle pro Jahr. Gemäss Bundesamt für Statistik lebten Ende 2018 etwas mehr als 8,5 Millionen Menschen in der Schweiz (heute wohl eher noch mehr). Wenn man nun diese 8,5 Millionen durch die 72'800 Sterbefälle pro Jahr teilt, erhält man die durchschnittliche Lebenswerwartung in Jahren. Denke ich mir... oder sehe ich das falsch? Ich finde das eigentlich logisch... Und? Hat schon wer gerechnet?
8'500'000 Menschen : 72'800 Sterbende pro Jahr = Durchschnittliche Lebenserwartung = 116,7 Jahre... Boah...Wir kommen ins Guinessbuch der Rekorde. Als die Nation mit der höchsten Lebenserwartung.👍 Wurde überhaupt schon jemals ein Mensch so alt? Fragen über Fragen...
Aktuell liegt die Lebenserwartung in der Schweiz bei etwas über 80 Jahren (meines Wissens). Demzufolge müssten bei 8,5 Millionen Einwohnern etwa 2'040 Personen pro Woche sterben. Das ist ein ganz erheblicher Unterschied zu den oben dargestellten 1'400. Irgendetwas stimmt da nicht... 🤔
Unter der Grafik steht: Quelle: Bundesamt für Statistik. Muss also stimmen... 🙄 Vermutlich liegt der Fehler bei mir. Bestimmt habe ich irgendetwas falsch verstanden oder falsch überlegt... (oder diese Grafik hat doch etwas mit dem 1. April zu tun).
Wobei, wenn man sich die Todesfall-Statistiken den Bundes ansieht, wird es noch dubioser. Dort wird ausgewiesen, dass 2019 (nur) 67'307 Menschen gestorben sind. Das muss ein aussergewöhliches Jahr gewesen sein, denn sonst läge die durchschnittliche Lebenserwartung der 8,5 Mio. Einwohner ja bei 126,7 Jahren... ich gebe es auf... ich verstehe es einfach nicht.
Nachtrag am 02.04.2020
Die Sache hat mir keine Ruhe gelassen und durch etwas Nachdenken habe ich dann meinen Fehler erkannt. Wenn ich rückwärts rechne ergibt sich folgendes Bild: 67'307 Todesfälle x 80 Jahre = 5'384'560 Einwohner. Wenn ich nun die Bevölkerungsstatistik des Bundes ansehe stelle ich fest, dass diese Zahl ziemlich genau auf das Jahr 1960 zutrifft. Im Jahr 1950 lebten 4'717'000 Menschen in der Schweiz und 1940 (2020 - 80 = 1940) waren es bestimmt noch weniger. Also: Asche auf mein Haupt! Ich habe mich gestern da gedanklich verrannt. Die obenstehende Grafik und auch die übrigen Zahlen des Bundes sind völlig korrekt.
Die Angabe der durchschnittlichen Lebenserwartung bezieht sich immer auf das Geburtsjahr. Wer also heute, 2020, geboren wird, kann davon ausgehen, dass er etwa 81 und sie etwa 85 Jahre leben wird. Wer aber 1950 geboren wurde, der konnte davon ausgehen, dass er 66 und sie 71 Jahre leben wird. Gefahrenreduktion durch weniger körperliche Arbeit, Sicherheitsvorschriften, Ernährung und vor allem bessere medizinische Möglichkeiten, sind für die ansteigende Lebenserwartung hauptverantwortlich.
Es ist also ein Irrtum, wenn ich annehme, dass meine "durchschnittliche" Lebenserwartung bei 80 Jahren liegt. In meinem Geburtsjahr, 1963, lag diese nämlich für Männer bei etwa 70 Jahren. Als statistischer Durchschnittsbürger stehen mir aktuell also nur noch etwa 13 Jahre zur Verfügung... carpe diem...
Dieser Link ist nicht aktiv. Er enthält eine kopierbare Trackback-URI, um manuell ein Ping- und Trackback zu diesem Eintrag für ältere Blogsysteme zu generieren; zB (immer noch valide) über das zur Verfügung gestellte Eintragsfeld des serendipity_event_trackback Plugins. Serendipity und andere Blogsysteme erkennen die Trackback-URL heutzutage aber automatisch anhand der Artikel-URL. Die Trackback-URI für ihren Link des Sender-Eintrages lautet daher wie folgt: »https://www.beatsblog.ch/2642-Statistiken,-Grafiken-und-Prognosen.html«
Kommentare
Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt
Patrick Strahm am :
Wie schlimm die Covid-19 Pandemie sein wird, wird man erst zukünftig berechnen können. Im Moment geben nicht mal die Todeszahlen ein verlässliches Bild zur Schwere der Pandemie.
Letzte Woche hatte der Corriere della Sera einen interessanten Artikel publiziert. Sie haben die Todesfälle in Nembro, einer kleinen Gemeinde in der Provinz Bergamo, mit den Jahren 2015 bis 2019 verglichen. In gewöhnlichen Jahren sterben in dieser Ortschaft von Januar bis März durchschnittlich 35 Personen. In diesem Jahr starben in diesen Monaten insgesamt 31 Menschen an Covid-19. Wenn man diese zum Durchschnitt addiert, wäre dies dann theoretisch 66 Personen. Es sind aber mit 158 Menschen weit mehr verstorben. In zwei weiteren Ortschaften ist der Corriere della Sera zu denselben Resultaten gelangt und vermutet, dass viele ältere Leute zu Hause oder in Altersheimen am Coronavirus verstorben sind, ohne dass man sie auf das Virus getestet hat.
https://www.corriere.it/politica/20_marzo_26/the-real-death-toll-for-covid-19-is-at-least-4-times-the-official-numbers-b5af0edc-6eeb-11ea-925b-a0c3cdbe1130.shtml
Beat am :
Ganz persönlich bin ich der Meinung, dass man nur anhand der absoluten Todesfälle im Vergleich zu den Vorjahren diese Pandemie wird beurteilen können. Und, wie Du auch erwähnt hast, wird man dies erst nach der Pandemie wirklich wissen. Einzelne Ortschaften herauszupicken und mit diesen Zahlen auf ganze Nationen hochzurechnen ist sinnfrei. Es gab schon immer Krankheiten/Grippewellen/Seuchen, die ganze Ortschaften nahezu aussterben liessen. Im Gegensatz dazu gab es kaum hundert Kilometer entfernt Ortschaften, die nur marginal betroffen waren.
Derzeit ist doch völlig unklar, nach welchen Kriterien ein Sterbefall kategorisiert wird. Und ich behaupte hier einfach einmal, dass dies immer unklar bleiben wird, weil die Zahl der Corona-Toten längst ein Politikum geworden ist. Jede Regierung wird zum Schluss behaupten, dass die von ihr getroffenen Massnahmen die Richtigen waren und dass es andersherum viel schlimmer herausgekommen wäre.
Na ja. Warten wir ab und hoffen wir, dass wir gesund bleiben.