Sonntag, 14. Juni 2020
Nepper, Schlepper, Bauernfänger
Vor etwa drei Jahren überlegte ich, ob ich zumindest einer der Rikschas einen E-Antrieb spendieren soll. Die Vorteile wie grössere Reichweite, Unterstützung berghoch oder einfach geringere körperliche Belastung liegen ja auf der Hand.
Das Hauptproblem in der Umsetzung liegt darin, dass ein solcher E-Antrieb in einen vorhandenen Rahmen eingebaut werden soll, was gar nicht so einfach ist. Normalerweise werden E-Bikes ganz speziell auf einen Motortypen gebaut und Nachrüstsätze für bereits vorhandene, normale Fahrräder sind eher selten. Auch das Konzept mit dem Motor im Rad würde bei einer Rikscha ja nur am Vorderrad funktionieren und dazu wäre dann einiges an Kabelage notwendig. Auf meiner Internetrecherche stiess ich damals auf ein sehr interessantes Projekt namens Bimoz. Die Internetseite ist zumindest marketingmässig sehr gut aufgebaut und auch das Betriebskonzept des Motors überzeugte mich. Nur, das Produkt war noch nicht verfügbar und man konnte einen solchen E-Antrieb erst vorbestellen.
Das Ganze war als Crowdfunding-Projekt auf Indiegogo aufgebaut. Der Produktionsstart sollte ab der eingegangenen Summe von Fr. 165'000 losgehen. Als ich im Sommer 2017 das Projekt erstmals gesehen habe, war die einbezahlte Summe schon weit über 600'000 Franken. Somit sollte die Produktion also angelaufen sein und in den Produkt-Updates wurden erste Lieferungen für den Herbst 2017 versprochen. Klingt gut. Ich dachte, das Produkt PREMIUM KIT XL mit einem Zusatzakku wäre wohl meine Wahl und 999 Dollar sind dafür zwar nicht wenig, doch wohl gerechtfertigt. Mein Finger zuckte bereits über dem Bestell-Button.
Doch ich zögerte. Erstens bestand kein akuter Handlungsbedarf und zweitens wollte ich erstmal auf die erste Produkt-Serie und Erfahrungsberichte von Kunden warten. Ich hatte keine Lust um Beta-Tester zu spielen. Auch wenn der angebotene Rabatt von 30 Prozent auf den Standard-Verkaufspreis schon sehr verlockend war. Doch, an einer Rikscha muss das Ding zuverlässig funktionieren und vielleicht ist es besser, auf eine zweite, verbesserte Serie zu warten. So mein damaliger Gedanke.
Seither verfolgte ich das Projekt so alle drei, vier Monate im Internet. Bald zeigte sich, dass der Unterschied von Theorie zu Praxis doch ganz erheblich ist und dass die Köpfe hinter Bimoz vor allem gute Theoretiker und Vermarkter sind. Die Idee, das Produkt in der Schweiz zu entwickeln und in Fernost produzieren zu lassen ist ja grundsätzlich o.k., doch es wurden immer wieder haarsträubende Fehler gemacht und Lieferanten konnten die versprochene Qualität schlicht nicht liefern. Es folgten Designänderungen und Neu-Entwicklungen die alle natürlich mit Verzögerungen verbunden waren.
In der Zwischenzeit wuchs das einbezahlte Kapital auf über eine Million Schweizerfranken. Geld war also da, doch -aus welchen Gründen auch immer- das Produkt konnte einfach nicht fertiggestellt und ausgeliefert werden. Immer tauchten wieder neue Probleme auf und der Liefertermin wurde weiter und immer wieder verschoben. Frühjahr 2018, Herbst 2018, Frühjahr 2019 und letztendlich August 2019. Wohlverstanden: Das war bereits drei Jahre nachdem das Startkapital zur Verfügung stand!
Im Januar 2020 wurde dann das letzte Update publiziert aber noch immer wurde kein einziges fertiges Exemplar ausgeliefert. Seither ist von offizieller Seite Funkstille. Knapp 1,6 Millionen Franken wurden von über 1'560 Personen einbezahlt. Schon länger brodelte es in der Geschäftsführung und am 20.04.2020 eröffnet das Konkursamt die Liquidation... Aus der Traum!
Die Bimoz-Webseite ist immer noch aktiv. Das Indiegogo-Crowdfunding kann noch angesehen werden, doch immerhin kann man nicht mehr bestellen. Trotzdem: die über 1'560 Funder werden wohl leer ausgehen. Totalverlust! Die 1,6 Millionen sind futsch! Noch gibt es welche, die an ein Wunder glauben und hoffen, dass sie entweder ihr Geld zurückerhalten oder tatsächlich noch irgendwann einen funktionsfähigen E-Antrieb kriegen. Wie man aber unter den über 2'400 Kommentaren lesen kann, haben wohl sehr viele das Geld bereits abgeschrieben und fühlen sich, zurecht, betrogen. Wieviel Geld noch übrig ist und wo dieses liegt, weiss niemand. Es ist auch nicht klar, wer eingeklagt werden kann. Einbezahlt wurde an Indiegogo, mit SItz in Kalifornien, USA. Doch da will auch niemand verantwortlich sein und auf E-Mails wird scheinbar nicht reagiert... ein Trauerspiel!
Natürlich bin ich heute froh, dass mein Finger damals nur zuckte und ich nicht bestellt habe. Nachdenklich stimmt mich jedoch, dass dies mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht der einzige derartige Fall ist. Crowdfunding, grundsätzlich eine tolle Idee, erscheint durch solche Fälle aber in einem doch ziemlich dubiosen Licht. Nicht, dass ich dies nun den Bimoz-Gründern unterstellen würde, doch mit einer Klasse-Webseite und vollmundigen Versprechungen lassen sich scheinbar auch heute noch noch Millionen ergaunern (oder in den Sand setzen).
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