etwas Text
Kaum hat Anfang März die Rikschasaison wieder begonnen, nimmt die Zahl der Blogeinträge drastisch ab. Sicher liegt das vor allem daran, dann ich abends oft müde bin und mir dann nicht mehr die Mühe mache um noch zu bloggen. Ich beobachte aber auch ein anderes Phänomen:
Ich scheine mich aufzulösen... Es erscheint mir immer unwichtiger was ich denke, ich fühle überhaupt keinen Drang mehr mich mitzuteilen. Ich werde immer mehr zum Beobachter und immer weniger zum Akteur. Ich beobachte jedoch nicht um zu beurteilen oder mir eine Meinung zu etwas zu bilden. Es geht mir wohl eher ums beobachten an sich, um zu staunen, vielleicht auch um zu verstehen...
Ich würde das Ganze nicht als Faulheit, Teilnahmslosigkeit oder Gleichgültigkeit bezeichnen, nein, es fühlt sich eher wie ein Wahrnehmen an, welches über das normale Sehen hinausgeht. Es sind ganz eigenartige Stimmungen und Gefühle. So stehe ich zur Mittagszeit mit meiner Rikscha oft am Paradeplatz und verfolge das rege Treiben der Anzugträger aus der Bankenwelt. Nehme ich Gesprächsfetzen auf so staune ich, wie sie auf die Welt und das Zeitgeschehen blicken. Ganz anders ist die Stimmung am Nachmittag auf dem Sechseläutenplatz. Klarerweise sind hier die Leute entspannter und irgendwie macht die grosse, freie Fläche die Menschen auf offener. Nicht dass ich hier nun viel mehr Gäste finden würde als am Paradeplatz, nein, es ist einfach eine andere Stimmung.
Wenn ich auf Kundenfang bin fahre ich oft gemütlich durch die Stadt und versuche offen zu sein für jede Regung, die sich als Chance entpuppen kann. Dabei kriegt man natürlich auch einiges mit. Irgendwann kennt man die Raucher, welche vor den Geschäftshäusern stehen, die pensionierten Spaziergänger und Hobbyfotografen, die auch immer wieder die Stadt aufkreuzen, die gelangweilten Taxifahrer oder die Türsteher vor den Nobelboutiquen oder den schicken Hotels. Das alles ergibt mit der Zeit ein Bild der Stadt, wie sie lebt und funktioniert. Und weil ich nun schon die vierte Saison mit meiner Rikscha in dieser Stadt unterwegs bin, gehöre ich auch langsam zu diesem Bild. So wie ich viele Leute beobachte, werde ich natürlich auch von vielen beobachtet... Ich bin einfach da, stehe zur Verfügung ohne mich aufzudrängen. Ganz typisch Schweizerisch/Zürcherisch...