Oberalppass
Letzte Nacht bin ich morgens um zwei Uhr aufgewacht, weil es draussen blitzte, donnerte und teils heftig regnete. Als ich dann kurz nach halb sechs Uhr das TREK Procaliber aus dem Bikekeller schob war der Spuk vorbei, doch die Strassen waren noch ziemlich nass und der Himmel wolkenverhangen.
Auf der fast zweistündigen Zugfahrt nach Chur änderte sich dieser Wettereindruck auch nicht grossartig. Im Gegenteil: Die Wolkendecke wurde eher dichter und so verwunderte es nicht sonderlich, als es in Chur dann tatsächlich leicht regnete 🌧. Hmmm... Das hätte ich so nicht gebraucht und das war auch anders bestellt. Aber lamentieren hilft ja nichts.
Bei der Fahrt über den San Bernardino im letzten Jahr lernte ich, dass man auf alpine Touren immer eine Regenjacke mitnimmt und die zog ich nun an. Ich startete die GPS-Tour und begann dieser violetten Linie im Display zu folgen. Immerhin war es um die 18° Grad und meine Strecke führte mehrheitlich berghoch und somit hatte ich nicht kalt. Ich spekulierte einfach darauf, dass der Regen bald aufhört und sich dann das vorhergesagte, schöne und warme Sommerwetter 🌞 durchsetzt.
Die Strecke führte mich meist sehr schön abseits vom Strassenverkehr und immer in direkter Rhein-Nähe in Richtung Osten. Nach Bonaduz folgt eine erste wirkliche Steigung und von da fährt mein einige Kilometer deutlich erhöht über dem Rhein und geniesst immer wieder tolle Einblicke in die Rhein-Schlucht. Dann zweigt man ab auf Schotterstrassen und kurbelt gemütlich in Richtung Ilanz, wo ich dann nach etwas mehr als zwei Stunden Fahrzeit bei einer Bäckerei den ersten Verpflegungshalt einlege. Nun zeigt sich doch tatsächlich ein erstes Mal die Sonne und ich kann im wärmenden Sonnenschein etwas trocknen und Energie nachtanken.
Wenn ich nun dachte, dass von jetzt an Sonnenbrillenwetter 😎 angesagt ist, so hatte ich mich getäuscht, denn schon bald fielen erneut Regentropfen. Erst eine knappe Stunde später, also nach elf Uhr, setzte sich die Sonne tatsächlich durch. In der Zwischenzeit war ich schon ziemlich sandig eingesaut, denn die nassen Schotterstrassen waren mit vielen Pfützen durchsetzt, die man nicht immer umfahren konnte. Na ja, was soll's. So etwas gehört einfach dazu 😅.
Den Mittagshalt plante ich in Disentis, wo ich mich am Bahnhofkiosk verpflegte. Das war etwa bei Kilometer 65 und etwas mehr als 1'000 Höhenmeter lagen hinter mir. Somit ist es ziemlich genau Tour-Mitte, doch ich fühlte mich schon deutlich gebraucht... 🤨. Ich hätte mir gerne ein Set neuer Beine gekauft 😁. Weil das nicht geht, setzte ich auf moderne Ernährungstechnik und gönnte mir zusätzlich einen Energy-Gel in der Hoffnung, dass mir dieser den nötigen Kick 🚀 und die Kraft bis auf die Passhöhe gibt.
Nun schien die Sonne kräftig und obwohl ich mich deutlich über 1'000 Meter über Meer befand, wurde es nun richtig warm (um nicht heiss zu sagen). Im Anbetracht der zu fahrenden Steigung begann der Schweiss in Strömen zu fliessen. Nun war ich schon wieder nass; diesmal jedoch nicht vom Regen 😉. Die Kräfte liessen langsam nach und ich fand: "Das zieht sich aber hin!". Ich hatte die Angabe über die aktuelle Höhe immer im Blickfeld und begann zurück zu zählen. Noch 500 Höhenmeter. Noch 400 Höhenmeter. Noch 300 Höhenmeter. usw.
Ich wollte eigentlich in einem Zug bis zur Passhöhe fahren, doch etwa 150 Höhenmeter unter dem höchsten Punkt registrierte ich erstmals beginnende Muskelkrämpfe in den Beinen und ich fühlte mich auch zunehmend schwächer. Das wird so nicht klappen... Ich muss anhalten, meinen Not-Schokoriegel essen, genug trinken und mich etwas erholen. Nach geschätzten 15 Minuten steige ich wieder auf und packe den letzten Rest. Auf der Passhöhe war dann das erwartete Halligalli. Unzählige Sportwagen- Motorrad- und Velofahrer machten Fotos von der Umgebung und natürlich vom Pass-Schild. Ein freundlicher Motorradfahrer hat dann für mich das Tagesbild geschossen. Vielen Dank!
Nun war es schon 14:30 Uhr (insgesamt 5:30 Fahrzeit und 1:00 Pausen) und deshalb setzte ich mich schon bald wieder aufs Rad und nahm die rassige Abfahrt in Angriff. Zuerst ging es noch gemütlich entlang des Oberalpsees, doch dann wurde es steiler und es folgen unzählige Kurven runter bis nach Andermatt. Was für ein Spass! Dann war es kurzzeitig fertig mit lustig, denn -wieso auch immer- durch Andermatt und in Richtung Göschenen herrschte plötzlich stockender Autoverkehr. Ich zweigte deshalb von der Hauptstrasse ab und folgte dem Wanderweg, an der Schöllenenschlucht und der Teufelsbrücke vorbei, bis kurz vor Wassen. Diesen Streckenabschnitt kannte ich schon von der Gotthard-Überquerung vom letzten Jahr und es war auch dieses Mal Genuss pur!
Von Wassen bis nach Erstfeld folgte ich dann wieder der Hauptstrasse, die nun nahezu verkehrsfrei war. Ich konnte einfach sitzen, geniessen und rollen lassen. Kurz vor halb fünf Uhr erreichte ich den Bahhof in Erstfeld. Das war ideal, denn um 16:38 fuhr ein Zug bis nach Zürich. Ich kaufte am Bahnhofkiosk also noch einmal etwas Proviant und vor allem weitere Getränke, die ich mit in den Zug nahm und mir auf der Heimreise gemütlich einverleibte.
Von Zürich bin ich dann im schönsten Abendsonnenschein, bei immer noch 28° Grad, ganz gemütlich nach Hause geradelt, wo ich kurz nach 19:00 Uhr ankam. Was für ein Tag und was für eine tolle Tour 👍! Für den ganzen Tag registrierte das GPS: 152 km., 8:10 Std., 2'600 Hm.