Mittwoch, 29. April 2020
Ansichtssache
Es war nicht so, dass ich die letzten Tage keine Zeit gehabt hätte um einen Blogeintrag zu schreiben, doch ich konnte mich nicht wirklich dazu durchringen. Den Grund dafür lest ihr im heutigen Titel... 🔝
Vor ein paar Jahren las ich irgendwo einmal folgenden Satz, welcher aus irgendeinem Grund hängengeblieben ist und den ich nicht mehr vergessen kann: "You and I give everything all the meaning it has". Was frei übersetzt so viel bedeutet wie: Alles ist Ansichtssache. Faszinierend an dieser Aussage fand (und finde ich noch immer) die Absolutheit, die darin steckt. "You and I" meint Alle und Jeden. "give everything" geben also ausnahmslos Allem. "all the meaning it has" jegliche Bedeutung und jeden Wert... Das lässt lässt überhaupt keinen Spielraum zu. Alles ist "an sich" wert-neutral. Bedeutung und Wert sind künstliche Begriffe, die es a priori nicht gibt. Weder dies, noch das (neti-neti).
Dieser Satz hat irgendeinen Trigger in mir angesprochen und weil ich ihn nun schon seit ein paar Jahren mit mir herumtrage, fällt es mir zunehmend schwer, mir eine Meinung zu etwas zu bilden. Oder, falls ich mich zu einer Meinung durchringe, dann stimmt das nur für ebendiesen Augenblick und kann schon tags darauf durch eine neue/andere Meinung ersetzt werden. Ich verhalte mich also zunehmend indifferent und wenig konsistent.
Diese Haltung/Einstellung vereinfacht zwar mein eigenes Leben, ist für die Menschen um mich herum aber zeitweise schwierig und wenig interessant. Ich rege mich selten richtig auf, werde nie laut und führe keine hitzigen Debatten. Dafür erscheine ich oft als unentschieden, lauwarm und ohne klare Meinung (was ja auch stimmt). Und natürlich ist das auch für das Schreiben von Blogeinträgen nicht förderlich. Da helfen Meinungen und klare Standpunkte, die man wortreich erläutern kann natürlich sehr. 🤨. Ich sehe und verstehe das...
Diese innere Grundhaltung (Alles ist wert-neutral. Jede positv/negativ Bewertung ist nur eine Meinung/Geschichte, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben muss) wird nun in dieser Corona-Virus-Zeit hart auf die Probe gestellt. Denn "nicht zu bewerten" heisst vielfach auch zuzugeben, dass man etwas nicht weiss. Ich selbst habe keine Mühe damit, doch in solch "besonderen Zeiten" wie jetzt wird man an die Wand gedrückt von tausend Meinungen und jeder scheint etwas (besser) zu wissen. Beinahe täglich tauchen neue Experten auf und erklären uns die Welt. Die Fähigkeit, zuzugeben, dass man etwas nicht weiss, scheint völlig abhanden gekommen zu sein. Seit Ausbruch des Corona-Virus herrscht eine Meinungskackophonie und ein Kampf um die Deutungshoheit, die mich schwer irritiert.
Und leider: Das macht nirgends Halt. Auch die Regierung verkauft Meinung als Wissen. Man kann/will nicht zugeben, dass wir in vielen Bereichen im Dunkeln tappen, dass wir nach "Trial and Error" vorgehen müssen, weil wir nicht auf vorhandene Erfahrung mit vergleichbaren Problemstellungen zurückgreifen können.
Ich akzeptiere, dass wir gesellschaftlich und gesamt-gesundheitlich eine schwierige Zeit durchleben. Ich verstehe auch, dass sich Regierungen dazu genötigt sehen, für das Gemeinwohl Regeln und Vorschriften festzulegen, damit nicht das völlige Chaos ausbricht (oder das Gesundheitswesen zusammenbricht). Und weil der normale politische Prozess für ein rasches Agieren zu langsam funktioniert, wird dies nun halt "per Notrecht" durchgesetzt. So weit, so gut. Womit ich aber Mühe bekunde ist, der Eingriff in Persönlichkeitsrechte und dass man erwachsenen Menschen (die vorhandene) Eigenverantwortung abspricht und ihnen somit das Gefühl vermittelt, dass nur durch regulative Repression diese Krisenzeit überwunden werden kann. Jede Abweichung von diesem neuen Normativ wird als egoistisch und unsolidarisch gebrandmarkt. Und wirklich bedenklich erscheint mir, dass dieser Prozess, hin zu mehr Kontrolle und Überwachung durch den Staat, bei einem (scheinbar) grossen Teil der Bevölkerung gut ankommt. Plötzlich spielen Tausende "Hilfspolizist" und denunzieren Nachbarn, Fremde und sonst irgendwie missliebige Personen und Gruppen. Das ist keine gute Entwicklung...
Ich habe in einem früheren Beitrag schon einmal geschrieben dass ich doch sehr hoffe, dass man nach dieser Krise ganz genau hinschauen wird und die aufgebaute Überwachung rückgängig macht. ansonsten wird das Vertrauen in den Staat nachhaltig geschädigt (zumindest mein Vertrauen).
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