angemessene Reaktion
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die unverholene Androhung des Einsatzes von Nuklearwaffen, falls sich andere Staaten (oder die NATO) aktiv einmischen, lässt einem einfach nur sprachlos zurück. Es ist einerseits surreal, andererseits jedoch brutale Realität. Man muss ersteinmal schlucken und sich dann überlegen, wie reagiert man auf so etwas?
Natürlich ist das in erster Linie Machtpolitik und deshalb liegt derzeit auch eine riesige Verantwortung auf den Schultern der führenden Politiker. Man ergreift Massnahmen und Sanktionen. Immer mit der Idee, den Gegner zu schwächen und zur Einsicht zu bringen, dass man besser miteinander redet und eine friedliche Lösung sucht, als dass dieser Krieg immer weiter eskaliert und dabei immer mehr Menschen ihre Existenz und ihr Leben verlieren. Das Schwierige dabei ist, dass durch die Ereignisse der letzten Tage ziemlich klar geworden ist, dass der Herr Putin eben nicht mehr reden, sondern Fakten schaffen will. Und wenn man ihn nun durch Sanktionen weiter in die Enge drängt, dann... könnte er womöglich ohne Rücksicht auf Verluste wild um sich schlagen. Und das würde dann für die ganze Welt brandgefährlich. Das ist aktuell die politische -und die derzeit wichtige- Situation.
Aber auf persönlicher Ebene berührt mich die aktuelle Lage halt auch massiv. Stark vereinfacht gesagt, bezeichne ich mich als Pazifist. Ich leistete keinen Militärdienst, hatte noch nie eine echte Waffe in der Hand und könnte -rein gesinnungsmässig- nie auf andere Menschen schiessen. Doch Hand aufs Herz: Was würde ich persönlich jetzt tun, wenn ich in der Ukraine leben würde? Mit der weissen Fahne in der Hand auf den Feind zugehen? Ihn umarmen und sagen: "Hey, lass uns Freunde sein."? Und falls ich das überleben würde, möchte ich danach in einer Gesinnungsdiktatur leben?
Oder würde ich so schnell wie möglich flüchten und versuchen mich in Sicherheit zu bringen? Ist das feige oder klug? Und wie sehe ich das in Bezug auf Familie und Freunde? Wäre es nicht ehrenhafter, sich zu bewaffnen und für sich, seine Familie, seine Freunde und sein Land zu kämpfen? Boah... das ist so schwierig. Noch vor einer Woche hätte ich gesagt, dass ich nie für so etwas Abstraktes wie "mein Land" jemand anderem Gewalt antun würde. Aber was soll man denn gegen "das Böse" tun? Tut man nichts, verliert man zwangsläufig und irgendwodurch würde man durch sein Nicht-Handeln die ganze Sache auch noch legitimieren. Man hat sich ja nicht dagegen gewehrt...
Das macht mir echt zu schaffen. Ich weiss nicht, was ich tun würde. Ich dachte, ich sei einer der Guten, doch vermutlich bin ich einfach ein Feigling und würde mich vorerst möglichst ruhig verhalten, ducken, abwarten und möglichst wenig Risiken eingehen. Die Hoffnung (auf die Politik) stirbt zuletzt. Doch so gewinnt man vermutlich keinen Krieg...
Seit meiner Jugend ist einer meiner Lieblingssprüche: "Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!" Heute zeigt sich ganz brutal, wie naiv das ist. "Die Bösen" gehen hin und kennen keine Gnade. Wenn "die Guten" immer nur zurückweichen und die andere Wange hinhalten, bleibt nichts mehr für sie übrig... Und so sitze ich im Moment ziemlich desillusioniert vor meiner Tastatur und frage mich: "Was ist -ganz persönlich- die angemessene Reaktion?"